laut.de-Kritik

Laszives Hörvergnügen mit Flöte.

Review von

Die selbsternannten Erfinder des Techno legen ein weiteres Scharmützel nach. Nicht länger von der verklärten Vergangenheit zehren, sondern im Hier und Jetzt ankommen: So lautet das Ziel der drei nordischen Elektro-Pioniere, wie es bereits der Plattentitel suggeriert. Mit Musik aus Strom und Flöte, Einsen und Nullen und ernsthaftem Klamauk erklären uns Fraktus die digitale Welt und andere alltägliche Absurditäten.

Wer dem Humor des exzentrischen Trios vor drei Jahren verfiel, wird auch mit "Welcome To The Internet" auf seine Lacher kommen. Wer damals nichts mit gespieltem Avantgarde-Dilettantismus anfangen konnte, macht mit großer Wahrscheinlichkeit auch jetzt einen Bogen: Es könnte schlimmere Voraussetzungen für eine Veröffentlichung geben.

Rekapitulieren wir nochmal kurz Fraktus' Legendenstatus: Das Komik-Trio Studio Braun, bestehend aus Rocko Schamoni, Heinz Strunk und Jacques Palminger, beschließt 2012, eine Mockumentary ins Kino zu bringen, die einer fiktiven Band namens Fraktus rückwirkend die Vorreiterrolle in Sachen elektronischer Musik andichtet. Gestützt auf O-Töne von Blixa Bargeld, H.P. Baxxter oder Jan Delay werfen selbst gestandene Musikkritiker ihre Suchmaschinen an, um die vermeintliche Bildungslücke zwischen Krautrock und NDW zu schließen. Der Parodie- und Gag-Film des Jahres macht aus der fiktiven eine tatsächliche Band, die tourt.

Nachdem im Anschluss an die Filmveröffentlichung das zugehörige Album "Millenium Edition" erschien, liegt es nun am Nachfolger "Welcome To The Internet", zu beweisen, ob und wie lange das Konzept "Fraktus" (noch) trägt. Dabei helfen zunächst die disparaten Sounds und Atmosphären der Songs.

Der eröffnende Titeltrack punktet mit extraterrestrischem Beat und Oldschool-Synthies, knarzigem Modem und einem meditativen Flötensolo von Torsten Bage (Heinz Strunk). Es soll nicht das letzte bleiben und verdichtet das Instrument einmal mehr zum Trademark von Fraktus. Den Widerspruch zwischen Flöte und Musikmaschine lässt Bage nicht gelten: "Was ist eine Flöte denn anderes als eine frühe, primitive Musikmaschine?"

Es folgt mit "Saugtücher" eine grammatikalische Dada-Verbeugung vor der Küchenrolle und mit "Maler Und Lackierer" ein satt stampfender Warnhinweis vor dieser speziellen Handwerker-Spezies. "Südamerika hat Shakira. Was haben wir? Maler und Lackierer."

"Musik Aus Strom" überhöht den Einfluss von Kraftwerk, "Mary Poppins" erinnert stark an Deichkind, und "Schuhe Aus Glas" geht als diese Art samtig geschunkelter Elektromusik durch, die in brackigen Neon-Licht-Kneipen lange nach Sperrstunde gespielt wird.

So macht vor allem die Vielfalt den Unterschied und die Nonchalance den Kern der Sache aus. Das Album läuft über die volle Distanz aber nie so richtig aus dem Ruder. Es wirkt auf Dauer sogar beinahe zahm. "Originals" wagt sich vielleicht noch am weitesten vor und klingt dann so, als bestellte Werner Beinhart auf halluzinogenen Designerdrogen neue Tuning-Teile für sein Moped. Die friesisch derbe Schnauze ist allgegenwärtig, tritt in diesem Song aber mit besonderer Inbrunst zur Geltung.

Am Ende stellt sich jedoch die Frage, ab wann der Gag überstrapaziert ist. Für den Moment lässt sich noch festhalten: Studio Braun verlängern mit "Welcome To The Internet" die Halbwertszeit ihres zotigen Scherzartikels Fraktus und liefern ein laszives Hörvergnügen ab.

Trackliste

  1. 1. Welcome To The Internet
  2. 2. Saugetücher
  3. 3. Maler Und Lackierer
  4. 4. Schuhe Aus Glas
  5. 5. Musik Aus Strom
  6. 6. Mary Poppins
  7. 7. Originals
  8. 8. Jeder Gegen Jeden
  9. 9. Let The Puppets Dance (Cool Wie N.Y.)
  10. 10. White Dinner
  11. 11. Freunde Sind Friends

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