laut.de-Kritik
Die Evolution des Skimasken-Rappers.
Review von David MaurerMan könnte meinen, "Piñata" halle noch immer nach. Mit seinen zurückgelehnten Soulklängen, dem finsteren, knallharten Vortrag und seiner exquisiten Gästeliste. Der Nachfolger "Shadow Of A Doubt" wirkt phasenweise wie ein Gegenentwurf, bedeutet für Freddie Gibbs aber dennoch eine konsequente Weiterentwicklung.
Schon der Einsteig zeigt, dass es auf Gibbs' drittem Album deutlich synthetischer zugeht als noch auf dem Vorgänger. Blair Norf, der sowohl den Opener "Rearview" als auch das folgende "Narcos" produzierte, lässt statt Samplekunst à la Madlib die Snares rollen. Natürlich kein ungewohntes Terrain für "Freddie Corleone", schließlich deckten seine bisherigen Releases stets ein weites Feld zwischen klassischem Boom Bap und modernem Midwest-Sound ab.
"Shadow Of A Doubt" geht hier und da aber sogar einen Schritt weiter als Freddies jüngste Mixtapes und EPs und serviert einige astreine Trap-Bretter. Besonders "Packages" bekommt von 808 Mafia-Mitglied Tarentino einen tonnenschweren Atlanta-Sound verpasst, dem Gangsta Gibbs mit seinem future-esken, gebetsmühlenartigen "wrap it and package it up" die Trap-Krone aufsetzt.
"Mexico", mit markanter Hook von Tory Lanez ausgestattet, schlägt in eine ähnliche Südstaaten-Kerbe, während Freddie in "Basketball Wives" zur Autotune-Hymne ansetzt. Wer nun aber befürchtet, der MC aus Indiana habe sich selbst und seinen eigenen Sound vergessen, darf beruhigt sein: "Shadow Of A Doubt" orientiert sich zwar durchaus an einigen Trends. Die sorgen aber eher für Abwechslung, als dass sie die rohe Bedrohlichkeit eines Freddie Gibbs-Albums stören.
"Fuckin' Up The Count" beispielsweise, das als Vorab-Single große Erwartungen auslöste, vereint einen klirrenden Beat von Boi-1da mit sprachgewaltigen Zeilen, die Gibbs' hauseigene Drogenküche quasi vor dem inneren Auge erscheinen lassen: "Quarter brick, half a brick, whole brick, ay nigga / time to whip these zippers in the kitchen with the same nigga."
Wie schon in "Packages" wird hier schnell klar: Etwas Neues hat "Freddie Kane" meist nicht wirklich zu erzählen. Skimaske und Caliber .45 auf dem Beifahrersitz, die Ware genau abgewogen, das Geld im Sofa versteckt, und natürlich "never fuckin' up the count." Art und Authentizität der Erzählung, Dauerfeuer-Raps und die knallharte Attitüde beeindrucken allerdings immer noch.
Dass Freddie tatsächlich "Gangsta shit in my DNA" trägt, beweist auf "Shadow Of A Doubt" jeder der 17 Tracks, von denen kein einziger zu lang, geschweige denn überflüssig wirkt. Zumal Gibbs seine markanten Drogendealer-Storys stets um neue Noten erweitert: "Insecurities", mit seinem schwerfällig pulsierenden Beat eine der besten Produktionen der Platte, nutzt er zur Aufarbeitung des Attentats auf ihn in Brooklyn im vergangenen Jahr.
"Freddie Gordy" hingegen, ebenfalls einer der persönlicheren Tracks, beschreibt weitere einschneidende Erlebnisse wie den ersten Plattenvertrag oder seine Medikamentenabhängigkeit: " The pills into laced blunts got me gone, boy / The Oxycontin & heavy syrup got me looking in the mirror saying: Is you a dope fiend or a dope boy?"
Mehr denn je fällt zudem die Vielseitigkeit des einstigen Jeezy-Schützlings auf. Nicht nur, dass er wie in "10 Chickens" plötzlich in den Migos-Flow spingt oder sich in "Extradite" ein beeindruckendes Reim-Gefecht mit einem brillant aufgelegten Black Thought liefert. Ganz nebenbei beweist Freddie ein hervorragendes Gespür für melodische Ohrwurm-Hooks, die weit entfernt sind von jeglichem Kitsch.
So wird besonders "Careless" zum Highlight der Platte. Tatsächlich fahren die Produzenten Pops und Superville ein perfekt adaptiertes George Michael-Sample auf und machen "Amazing" kurzerhand zur Hedonismus-Hymne, in der Gibbs seine markanten "fuck nigga"-Zeilen gegen selbstbewusstes Geprotze tauscht: "Yeah, gold crown, top down as I cruise with a bad hoe."
Hit-Potenzial birgt auch das minimalistische "10 Times", das mit seinen Trademark-Claps geradewegs aus der Feder von DJ Mustard stammen könnte, allerdings deutlich druckvoller daher kommt als dessen Plastik-Bässe. Mit Gucci Mane und E-40 gesellen sich zudem zwei recht überraschende Gäste dazu, die "10 Times" aber erst recht zum ersten Chart-Erfolg für Freddie Gibbs machen könnten.
Ansonsten bleibt der Vortrag des ESGN-Rappers aber brachial. Trotz einiger Ausnahmen wie "Basketball Wives" oder eben "10 Times" manifestiert Freddie auf herrlich finsteren Beats seine rohe, ehrliche Gangsta-Attitüde mit hervorragenden Rap-Skills und einer Authentizität, die momentan kaum jemand erreicht. Die gewaltige Aura des Skimasken-Rappers wächst weiter - auch ohne Madlib.
6 Kommentare mit 9 Antworten
Dank dem Teacher (und auf einer Skala von 10 mit 9 Punkten als extrem genrefirm anerkannten) Craze habe ich kürzlich Pinata entdeckt, was ein Bombenteil.
Der Sound hier geht mir leider nicht runter..
Damit laesst sich die Zeit bis 'Islah' gut ueberbruecken, ja.
Das bessere 'Mexico' befindet sich nebenbei auf Gates' 'Murder For Hire'-EP.
Das hier koennte sich aber als ausdauernder als 'Piñata' erweisen, das lief keine 5x.
Bei mir ist es viel langlebiger und finde es letztlich auch deutlich besser.
Ausser 'Khaza' von diesem Gates Kevin gibt es dieses Jahr wohl kein boeseres Brett. Inzwischen auf 4/5, dieser Fredl rappt sich wieder in Relevanz.
* als 'Packages' mit diesem ManMan Savage
Das hat leider nicht nur hier zu wenig Aufmerksamkeit gekriegt.
Geniales Teil, von vorne bis hinten großartig. Gab 2015 in dieser Sparte wohl kein so gutes Album, das gleichzeitig so vielseitig war, wobei das meistens (anders als hier) halt auch nichts Gutes verheißt. Für mich ist es letztes Jahr nur knapp hinter DS2, 'Careless' sogar der Song des Jahres.
Gibbs leidet bei mir immer ein wenig darunter, dass ich ihn in eine ähnliche Sparte packe wie Farrar.
Doch bei einem Teil wie Shadow Of A Doubt spielt das auch keine Rolle mehr, daher danke für das Leichenfleddern.
Welche Sparte ist denn Farrar? Das hoert sich gerade negativ an.
Ich hatte ueberlegt, hier auch nochmal was zu schreiben. Bei mir laufen gerade nur Gibbs, Gates und Future. Mal der eine, mal der andere mehr, meist aber mehr Future und Gates. Aber SOAD ist schon sick, ja. 'Freddie Gordy' und 'My Boy', Alter. Heftige Nummern.
Nein, ganz und gar nicht. Farrar ist für mich unangefochtene Spitze in dem, was er macht. Verbinde einige sehr emotionale Momente mit seinen Tapes.
Zur Frage: Verbuche das irgendwie unter ehrlich-poetischem Gangsterrap, der ohne Gimmicks auskommt. Gates ist z.B. nochmal was Anderes, Future sowieso.
Schwer zu beschreiben, die beiden sind einfach verknüpft bei mir, da sie beide diese schonungslose Pusher-Corner-whatever-Realität ansprechen, dabei aber auf gekünstelte Emotionslosigkeit und unmäßige Übertreibungen verzichten.
Dieser Kommentar wurde vor 8 Jahren durch den Autor entfernt.
Gerne, aber zu Leichenfledderei: Ich würd auch gerne was unter die Rezensionen von Islah, EVOL oder The Art of Hustle schreiben, aber die gibt's ja nicht. Dass aus diesem Jahr nicht jedes Album von Boosie Badazz kritisiert wird, kann ich verstehen und zu Future gibt's auch schon einiges, aber zumindest Islah müsste doch mal drin sein
laut.de ist halt mit der nächsten Beatrice Egli Review beschäftigt...for the clicks.
Habe dem jetzt die verdiente 5 gegeben. Gucci reisst mit seinem part ja auch alles ein. Ueberlege schwer, 180 Kroeten fuer die 2x LP auf Discogs rauszuhauen, hat nochmal 3 tracks mehr und anderes artwork.
Gang signs, gang handshakes.
Ah, das ist die Pronto EP. Wäre auch nice, die auf Vinyl zu haben, der Song Pronto reißt alles ab. Aber 180$ ist schon heftig.
Sehr stark, nur den Namen des Rappers finde ich jetzt unpassend.