laut.de-Kritik

Ein breites Portfolio für die Rapper-Akquise.

Review von

Im Schatten der traditionell mit übergroßen Egos ausgestatten Rapper haben es Produzenten schwer, sich als eigenständige Künstler zu profilieren. Gerade im Vergleich mit den US-Kollegen lässt der hiesige Stellenwert des Musik produzierenden Gewerbes zu wünschen übrig. Da Freshmaker nach knapp zehn Jahren Erfahrung um diese Tatsache weiß, rückt er sich nun mit seinem zweiten Album "Fusion", umgeben von Kollegen der rappenden Zunft, ins Zentrum des Geschehens, um seinen verdienten Teil der öffentlichen Aufmerksamkeit einzufahren.

Zum Einstieg versprüht Shadow030 gewohnt wenig Lebensfreude: "Das Paradies ist viel zu weit entfernt. Wirst du groß hier im Beton, kommt man der Sonne selten näher". Trotz der bekannten Qualitäten der Hijackers ist es angenehm den energiegeladenen Flow des Berliners dank Freshmaker auf einem klassischen Bumm-Tschack-Beat zu hören, der die nach alter Väter Sitte mit Hip Hop sozialisierten Hörer abholt. Zu diesen zählen auch Eko Fresh und Cashmo, die über ein melancholisches Instrumental in ihre Kindheit zwischen VHS und Viva reisen und nebenbei ihre Vormachtstellung unterstreichen: "Ihr solltet euch von Eko Fresh die Texte schreiben lassen.".

Das gilt in jedem Fall für Chakuza, der etwas vom muffigen Geruch unter Muttis Rock schwadroniert. Freshmakers Instrumental bietet dem Österreicher zwar Raum, um zum heroischen Kampf aufzubrechen, doch er liefert lieber eine Lehrstunde in Defätismus: "Beat und Bass ist fast alles, was mir blieb. Überall Sahara, das Wasser ist versiegt. Die Luft, die ich atme im Knast, ist zersiebt. Irgendwann ging alles schief". Dagegen marschieren M.I.K.I., Reece und Sonikk in "Galle & Gift" hörbar auf "verbrannter Erde".

Auch Jeyz deklamiert seine Geisteserzeugnisse mit der Zunge eines Poeten: "Und jedes Mal, wenn ich ein Album dropp', fick' ich dich so tief in deinen Arsch bis du Fotze brichst". Nebenbei bemängelt er "gespaltene Zungen" und übt sich in Durchhalteparolen wie Selbstüberschätzung. Selbst die verscharrt geglaubte Realness-Debatte erfährt in "Nicht So Wie Ihr" eine Reanimation: "Ihr seid Traumtänzer, macht bitte nicht auf Gangster". Unterdessen setzen der Trap-Beat und die Autotune-Hook nahtlos das Rezept fort, das der Frankfurter bereits für "So Machen Wir Das Hier" anrührte.

Aus dem Rahmen fällt dagegen Timeless, der mit "Nur Mit Dir" einen vergleichsweise beschwingten Love-Song beisteuert. Perrine, die ohne gleich in Optimismus auszubrechen, bereits auf "Schwarzer Kater" für einige hellere Momente an der Seite des italienischstämmigen Rappers sorgte, singt dazu eine passende Pop-Hook. Auf der anderen Seite scheint die missmutige Laune des Freunde-von-Niemand-Lagers virulent zu sein. Wenn der sonst stets positiv aufgelegte Sam Sillah auf Bosca trifft, kippt umgehend der Seelenhaushalt: "Kann es sein, dass wenn man groß wird, alles schlechter wird? Ich lache nur noch selten, weil die Pflicht mich nervt".

Laruzo und Snipe fahren dagegen frei von Sorgen im "Cadillac" Richtung Sonnenuntergang. Statt sich bei MHD für das übernommene Afrotrap-Konzept zu bedanken, maulen sie lieber despektierlich über "Franzacken-Trap". Derweil versuchen sich Splinta823 und Jascha an ihrer Interpretation von "Palmen Aus Plastik". So switcht Freshmaker beliebig zwischen den Stilen. Während er Lenny Morris ein nachdenkliches Piano-Sample spendiert, vermittelt Massivs "Paradies Hölle" einen orientalischen Vibe.

Dame wetzt wacker durch einen Synthie-Beat, Takt32 rappt zu schwebendem Trap und AchtVier joggt mit seinem Steuerfreimoney-Team zum Kopfnickersound. Zum Abschluss beweist Cr7z mit "Krankes Biz 2" das sowohl sein Wortschatz als auch seine Technik die Fähigkeiten des versammelten Ensembles überragen. Seine Szene-Kritik im Refrain freien Song lässt sich problemlos auf einige der vertretenden Rapper münzen: "Ihr watschelt weiter den wahren Erfindern hinterher im Entengang".

Freshmaker versucht, mit seinem zweiten Album eine größtmögliche Anzahl von Stilrichtungen abzudecken, wodurch es schwerfällt, eine klare Handschrift zu erkennen. Zweifellos zeugt "Fusion" vom Talent des Wieners, sich jedem Mitglied dieses musikalischen Trosses anzupassen, aber ein kohärentes Album entsteht dadurch nicht gerade. Spannender fiele das Album aus, wenn sich die Rapper einer vorgegebenen Richtung hätten unterordnen müssen. So erweist sich die Platte als breitgefächertes Portfolio, um weitere Aufträge beathungriger Rapper zu akquirieren.

Trackliste

  1. 1. Instinkt (mit Shadow030)
  2. 2. Nicht So Wie Ihr (mit Jeyz und Beta)
  3. 3. Nur Mit Dir (mit Timeless und Perrine)
  4. 4. Alles Was Mir Blieb (mit Chakuza)
  5. 5. Galle & Gift (mit M.I.K.I., Reece und Sonikk)
  6. 6. Licht (mit Splinta823 und Jascha)
  7. 7. Alte Schule Wie Früher (mit Eko Fresh und Cashmo)
  8. 8. Ohne Deine Worte (mit Bosca, Karen Firlej und Sam Sillah)
  9. 9. Cadillac (mit Laruzo und Snipe)
  10. 10. 306 Kmh (mit Lenny Morris)
  11. 11. Paradies Hölle (mit Massiv, Emiliano und Loko Ben)
  12. 12. Van Damme (mit Liquit Walker und BOZ)
  13. 13. Trojanisches Pferd (mit Dame)
  14. 14. Hoffe Nur (mit Takt32 und Vauu)
  15. 15. Landesweit (mit AchtVier, Stanley und TaiMo)
  16. 16. Krankes Biz 2 (mit Cr7z)

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