laut.de-Kritik
Die Symbiose aus Techno und intimen Songs.
Review von Simon LangemannAm liebsten würde man Paul Kalkbrenner an dieser Stelle gar nicht mehr erwähnen. Denn sein kleiner Bruder, der musikalisch längst schon keiner mehr ist, liefert auch auf seiner zweiten Studioplatte reihenweise Argumente für die Behandlung als autonomer Act.
Was in dem Fall aber mitnichten bedeutet, dass er die musikalische Handschrift der Familie verleugnet. Ganz Kalkbrenner-typisch - nämlich mit leicht nachvollziehbaren, aber eben perfekt dosierten Mitteln - streut Fritz etwa im Opener "Make Me Say" die Techno-Perlen vor die Säue. Eine drückende Bassline diktiert die catchy Akkordfolge, während Vocalsamples die nötige Ohrwurmtauglichkeit und eine im Stereopanorama hin- und herhüpfende Hi-Hat das Klangerlebnis besorgen.
Zum Sprung in diverse Radiostationen verhalf dem Berliner zuletzt das melodische "Get A Life". Das Etikett 'Vorabsingle' lässt sich hier zwar unschwer erkennen, schließlich knüpft die Nummer in punkto Eingängigkeit recht nahtlos an "Was Right Been Wrong" oder den Berlin Calling-Hit "Sky & Sand" an.
Letztlich handelt es sich bei dieser neuerlichen Symbiose aus Techno und Strophenlied aber auch um einen perfekten Stellvertreter für Fritz Kalkbrenners größtes Talent - den fließenden Übergang von herbstlicher Melancholie zu ansteckender Verve. "Through the fire and the chains / we're gonna get a life out of it", so die einprägsamen Refrainzeilen.
Noch mehr als auf dem zwei Jahre zurückliegenden "Here Today, Gone Tomorrow" setzt der Produzent auf organische Sounds, was gerade bei Melodie betonteren Stücken ("Little By Little", "Monte Rosa") bestens funktioniert. Hier und da, etwa beim detailreichen "Brumaire" lässt ein live eingespielter, dadurch aber nicht minder druckvoller E-Bass aufhorchen.
Den Höhepunkt dieses Stilmittels markiert mit "Willing" ein an und für sich gelungenes Gil Scott-Heron-Cover, das anfangs manch einem Hörer vor einen gewissen Konflikt stellen dürfte. Ich zumindest fühlte mich durch die Kombi aus House-Beat, funkigen Gitarrenakkorden und Slap-Bassline unmittelbar an Oliver Koletzkis langweiliges bis schauderhaftes "Großstadtmärchen 2" erinnert.
Natürlich können weder Fritz noch der 2011 kurz nach der Aufnahmesession des Covers verstorbene Godfather of Rap etwas dafür. Nach kurzer Eingewöhnungsphase entpuppt sich der Track als deutlich interessanter produziertes, respektvolles und dennoch angebrachtes Remake - in erster Linie dank Kalkbrenners unaufgeregt markantem Gesangsstil.
Betrachtet man das melodisch vielschichtige sowie top produzierte und feiertaugliche Zweitwerk "Sick Travellin'" als Ganzes, gilt noch ausnahmsloser als auf dem zwei Jahre zurückliegenden Debüt: Was Fritz macht, das macht er hervorragend. Und so bleibt am Ende nur eines offen - der Wunsch nach noch mehr Experimenten, nach weiteren Ausbrüchen aus dem Techno-Korsett, wie etwa dem in Intro und Outro aufgeteilten Titeltrack.
Doch vom vertrauten Terrain des Four-to-the-Floor-Clubsounds wird sich Fritz Kalkbrenner vorerst wohl nicht abbringen lassen. Muss er auch gar nicht. Steht er doch gerade kurz vor dem gewagten und spannenden Schritt, seine mitunter sehr intimen und schüchternen Songs zumindest hinsichtlich der Locations in abgefeierten Großraumtechno umzumünzen.
5 Kommentare
Robert Hood.
aufjeden fall deutlich besser, als alles was paul kalkbrenner noch so rausbringt.
Gefällt mir überwiegend wirklich gut, ein stimmiges und gelungenes Album. Manche Tracks driften allerdings etwas ins monotone ab, dass könnte er noch abwechslungsreicher gestalten..!
Gefällt mir überwiegend wirklich gut, ein stimmiges und gelungenes Album. Manche Tracks driften allerdings etwas ins monotone ab, dass könnte er noch abwechslungsreicher gestalten..!
Ich komme da einfach nicht hinter, weshalb die Herren Kalkbrenner solch ein Massenphänomen darstellen. Für mich ist das einfach langweilige Fahrstuhl-Musik.