laut.de-Kritik
Altbekanntes House-Schema, bis zur absoluten Ermüdung ausgereizt.
Review von Simon LangemannHartgesottene Minimal- und Techno-Fans schauen bei Oliver Koletzki schon lange ins Leere. Seit "Großstadtmärchen" konzentriert sich der Berliner Produzent, der einst mit dem mächtigen "Mückenschwarm" die Tanzflächen aufmischte, lieber auf eingängige Stücke mit vokalen Features und typischer Songstruktur. Wie der wenig einfallsreiche Titel "Großstadtmärchen 2" vermuten lässt, verzichtet das Album auf musikalische Weiterentwicklung.
Der Berliner bleibt auf seinem dritten Solowerk ausnahmslos bei bewährten Mitteln. Schließlich zahlte sich die musikalische Fusion aus House-beeinflusstem, entspanntem Clubsound mit Pop-Attitüde nicht nur auf dem Vorgängeralbum, sondern anschließend auch auf der "Kollabo-Platte" mit Ehegattin Fran aus.
Das längst vorhersehbare Koletzki-Schema reizt der Produzent bis zur absoluten Ermüdung aus: geradliniger Four-to-the-floor-Beat, eine kompromisslos durchgezogene Funk-Bassline, darüber smoothe Synthie-Teppiche, simple MIDI-Pianos und verschiedene Gastsänger.
Was auf Teil eins noch erfrischend neu wirkte, geht anno 2012 schon nach wenigen Minuten auf die Nerven. Dabei erhofft man sich doch gerade bei einem studierten Musiker wie Koletzki, dass er die Normen der elektronischen Tanzmusik oder zumindest die des eigenen Schaffens durchbricht.
Im ersten "Großstadtmärchen" bildete Koletzki immer wieder seine Heimatmetropole Berlin ab, was sich in Songs wie "Warschauer Straße" und "U-Bahn" als nette und gut umgesetzte Idee entpuppte. Zweieinhalb Jahre später - die Hauptstadt längst als Hipster-Metropole verschrien - sucht er verzweifelt nach neuen, interessanten Themen. Doch der Reise durch wehmütige Lovesongs ("You See Red"), Seelenstriptease ("Let Me Go Down") und Trinklieder ("Fifty Ways To Love Your Liver") fehlt es an Eindringlichkeit und darüber hinaus an einem roten Faden.
Ex-Muff Potter-Sänger Nagels Prosa-artige Ausschweifungen über die Sucht nach Rauschzustand ("The Power Of Rausch") wirken zwar einigermaßen glaubwürdig. In monotonem Tonfall über minimalistischem Instrumental verlesen, gerät aber auch dieses lyrische Zwischenspiel wenig fesselnd.
Mit flottem Tempo und radiotauglicher Eingängigkeit bemühen sich Bosse und Koletzki bei "Karambolage", den coolen Vibe des direkten Vorgängers "U-Bahn" wieder einzufangen. Doch leider bleibt es auch hier beim krampfhaften Versuch. Selbiges gilt für die erneute Zusammenarbeit mit Sängerin Fran ("Still"), deren Ergebnis die außergewöhnliche Stimmung des 2009er-Hits "Hypnotized" nicht mal im Keim heraufbeschwört.
Der Titel "Boy Got Soul" stellt sich als leeres Versprechen heraus, denn wie so oft auf dieser Platte geht der Berliner hier mit angezogener Handbremse vor. Einzig beim treibenden Instrumental "1994", das den Funk mit Ausnahme einzelner Tupfer mal außen vor lässt, kommt mit aufgedrehter Anlage ein wenig Feierlaune auf.
Koletzkis kontinuierliche Bemühungen um den nächsten großen Pop-Hit rauben dem zweiten "Großstadtmärchen" leider jegliche Leichtigkeit und Originalität. Die Tatsache, dass es sich bei der Platte um die erste Kooperation seines Labels Stil vor Talent mit Universal Music handelt, macht den faden Beigeschmack nur noch intensiver.
1 Kommentar
2024:
Koletzki ist ein weltbekannter House-Produzenten, der die Line-Ups der bedeutendsten Festivals der Erde anführt.
2024 auch:
Simon Langenwer?
Siehe dazu:
https://youtu.be/doAqhXigX04?feature=shared