laut.de-Kritik
Gezähmter IDM im Schlafrock.
Review von Maximilian FritzWieso gerade das Zeichensystem der Sprache Musiker*innen mit Ambitionen jenseits des Four-To-The-Floor-Primats magisch anzieht, scheint auf der Hand zu liegen: Semantische Spielereien, Mehrdeutigkeiten, Querverweise, Interpretationsspielraum – eine fruchtbare Umgebung gerade für Musik, die ohne Sprache auskommt. So gesehen etwa vor einem Jahr auf Minor Sciences "Second Language". Gacha Bakradze formuliert auf "Obscure Languages" seinen Ansatz leicht anders aus, wählt eine insgesamt ruhigere Gangart.
Der gemeinsame Nenner sind Breaks, Ambient-Passagen, verschachtelte Beats, die ihre Tanzbarkeit nur widerwillig preisgeben wollen. "Indivisible" exerziert die Formel als Opener schon relativ konkret durch, "Thank You For This Upload", mit seinem Titel ein amüsanter Fingerzeig in Richtung Netzkultur der Szene, legt mit unheilvollem Grollen und angedeuteten Junge-Beat-Salven nach und klingt dabei unheimlich satt geschichtet.
Früher in seiner Laufbahn produzierte Bakradze, der von Tiflis, Hauptstadt Georgiens und gleichzeitig Schmelztiegel für vor allem härtere Techno-Spielarten, aus wirkt, simplere, weniger verworrene Musik, die eher im Indie- oder Deep-House-Kontext funktionierte. Auf dem grollenden "Driver" ist davon wenig zu hören, auf dem traumhaften "Frame", das über sein maschinelles Breakbeat-Gewand ätherische Pads inklusive szenischem Break legt, schon eher.
Viele Ideen und gefühlt noch mehr Spuren stecken in den Tracks, die das Klangbild teilweise zu überfrachten drohen. Bloße Effekthascherei betreibt Bakradze aber nicht, dafür erden Tracks wie "Impression", das wie ein rostiges Windspiel über lang gehaltenen Synth-Noten klimpert, zu sehr.
Auch "Lift" im Anschluss serviert Ambient, der identifizierbare Klänge und metallisches Klirren gleichermaßen in sich aufsaugt wie Vögelgezwitscher, der Trend schlechthin in den letzten Monaten. Die Vorbilder für "Obscure Languages" wurzeln zwar im IDM, doch interpretiert Bakradze diesen nur im Kern als Maschinenmusik. Als organisch geben sich die Stücke des Gitarristen aus, auch wenn sie wie "Lead" höchst atmosphärisch in Richtung Dubstep ausschlagen.
Mit "Endless Tool" betreibt der Georgier kurz vorm Ende nur hinsichtlich der doch eher moderat bemessenen Länge des Tracks Etikettenschwindel, denn über die viereinhalb Minuten Spielzeit robbt sich ein grollendes Bassmonster voran, das die Tür zum Club schließlich doch einen Spalt breit aufstößt.
Nach "Slow Heart", dem Gitarren-lastigen Closer mit reichlich Reverb in Tycho-Manier, bleibt ein Album, das mit knapp 45 Minuten die richtige Dauer hat, um das richtige Maß an Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Das liegt einerseits am gewieften Lautschrift-Cover, andererseits daran, dass Gacha Bakradze über diese Distanz ein Facettenreichtum abdeckt, das anspruchsvoll, aber nie überfordernd wirkt.
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