laut.de-Kritik
Der Marvin Gaye des Rap ist zurück!
Review von Stefan JohannesbergMarvin Gaye lebt! Oder manifestiert sich zumindest in der Person des Ghostface Killahs. Dessen Melange aus Sex, Sozialkritik und Street Credibility, emotional intoniert, reanimiert den verstorbenen Soul-Gott, die deepen Loops zerren ihn aus dem Grab. Ohne Leichenfledderei. Wo Kanye West mit glasklaren Chören und live eingespielten Streichern die musikalische Perfektion sucht, stylt Ghost grimey und gutter, scheuern sich die Samples an den Drums förmlich die Rillen wund.
"Save My Dear" interpretiert "You Got What I Need" von Freddie Scott, der superbe Piano-Tune "It's Over" zitiert im Hook "I'm Afraid The Masquerade Is Over". "Beat The Clock" hat Laura Lees "Since I Fell For You" gefressen, und Nottz' Albumhymne "Be This Way" lebt und brennt von Billy Stewarts "We'all Always Be Together". Klar, dass es hier von Claps nur so wimmelt, doch "Ironman" könnte auch über altbackene Snare-Sounds stylen, Soul würde hier trotzdem atmen.
Ghostface oder auch der Liebling deines Lieblingsrappers. Ob Everlast, Kanye West, Nas, Cormega, Aesop Rock oder Necro, sie alle rücken den Wutanger ob dieses Talents in den elitären Kreis der ganz Großen. Auch Missy Elliott zählt zu seinen Fans, wie sie im herrlich soulig-schlüpfrigen Pausenbouncer "Tush" durch die Speaker stöhnt. "Tush, tush, tush. Wanna slide in the bush, bush, bush? (I'm on top, you like push, push, push." Sex statt Murder on the dancefloor.
Ghost selbst singt auch nicht mehr so schräg wie auf seinem 2000er Mörderalbum "Supreme Clientel", das keinen Geringeren als Jay-Z zu seinem "Blueprint" veranlasste. Auch seine eigenen Slang-Kreationen, die nicht immer verständlich waren, ließ er in Staten Island. Tru Masters "Biscuits" steht dank positiven Old School-Vibe fast auf einer Stufe mit Jay-Zs "Encore"-Brenner, während ihn auf der smoothen Liebesballade "Love" Soulchild Musiq unterstützt.
Sein viertes Soloalbum zeichnet wieder einmal die einzigartig stimmige Atmosphäre früher Wu-Platten aus. Hier reihen sich keine kurzweiligen Stücke nur seelenlos aneinander, hier passt alles. Selbst die Skits entwickeln ihr eigenes Songleben. Ghost rappt dort in und über real life situations. Immer vibe-förderend unterlegt von alten Soul-Klassikern.
Mal erklingt Mark Greens "Not On The Outside" im Hintergrund, während Ghost mit seiner Lady in der Badewanne sitzt ("Bathtub"). Mal schreibt er Sylvia Robinson hörend einen "Letter" an jene Frau. Dieses "Rappen über alte Lieder"-System gipfelt im Track "Holla", wo Ghost nicht nur auf "La La Means I Love You" der Delfonics rappt, sondern auch Teile des Originals einfach mitcroont.
Wo Snoop Dogg auf funky abgedrehten Pimpadelic macht, ist Ghost der herzensgute "Pretty Toney"-Pimp alter Prägung, ohne jedoch sein Gangsta-Image zu verlieren. Im Gegensatz zu den waffenstarrenden Lyrics eines 50 Cent erzählt Ghost jedoch lieber Geschichten aus dem Ghetto. Hautnah. Über einen kongenial hektischen RZA-Moloch flieht er mit dem wieder erstarkten Jadakiss auf "Run" vor den Cops. Großer Sport.
Freddie Foxxx rappte einst über den Status von "Supreme Clientel": "I Save Hip Hop Like Ghost Saves The Wu". Vier Jahre später rettet das Killah-Face trotz der Abstinenz anderer Wu-Emcees beide. Veteranen wie Everlast oder Chuck D forderten vor kurzem mehr Emotionen im Rap. Bitte, here they are. Classic Shit!
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