laut.de-Kritik
Williams, Bublé, Haenning: Swing it back!
Review von Michael SchuhRobbie tat es, später Bublé und dann sogar Paul Anka; doch wer nun denkt, dieser kuriosen Aufzählung sei nichts mehr hinzuzufügen, ha! - und ob: Swing it back with Gitte Haenning. Der Insider weiß natürlich, dass in Gittes Fall nicht von der Gegenwart die Rede ist, und dass kürzlich bereits ein unerhört cooles Swing-Album von Schlagertante Caterina Valente arglos in den Regalen lag. Nun wollen auch Gittes alte Meriten neuen Hörerschaften nahe gebracht werden.
Das Album ist wie Valentes New York-Abenteuer der späten 50er in der Tat ein wichtiges Re-Issue, obendrein das erste des frisch gegründeten Labels Bureau B, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Aufnahmen ans Tageslicht zu befördern, in denen die großen Plattenfirmen kein Marktpotenzial mehr sehen. Und davon, man ahnt es, gibt es wahrlich genug. Bei Valente hatte die kleine Bureau B-Gruppe seinerzeit mit dem Label Polydor noch Major-Glück, Gitte wollte anscheinend niemand mehr haben. "Ich will 'nen Cowboy als Mann" setzte 1963 zugegebenermaßen auch eine weitreichende Duftmarke.
Ironischerweise war es 1969 dem Plattenmulti EMI zu verdanken, dass Frau Haenning die große Ehre zuteil wird, mit dem belgischen Pianisten und Arrangeur Francy Boland sowie dem amerikanischen Schlagzeuger Kenny Clarke ein swingendes Jazz-Album aufzunehmen. Natürlich nicht ohne Hintergedanken: Gitte sollte gefügig gemacht werden, um ihren Schlagervertrag mit der Firma zu verlängern. Mit ungeheurer stimmlicher Präsenz legte sich die damals 23-Jährige denn auch ins Zeug, um vor allem wohl sich selbst zu beweisen, dass sie zu Höherem berufen ist als für die Rolle des eindimensionalen Trällergirls.
Gleich "My Kind Of World" mit seinen vollen Big Band-Bläsersätzen beschert der sanft beginnenden Gitte ein solides Fundament für die nun folgenden Höchstleistungen. Im Gegensatz zu Valente, deren Spaß an der Tonleiterakrobatik zuweilen Stressfaktoren auslöst, arbeitet sich Gitte charmant und jungmädchenhaft unbedarft an den Klassikern ab, die u.a. aus der Feder von Lennon/McCartney ("A World Without Love") und dem jüngst verstorbenen Duke Ellington- und Helge Schneider-Basser Jimmy Woode ("My Kinda World"/"November Girl") stammen.
In "Go To Hell" stimmt sie verr(a)uchte Töne an, das lässige "Marriage Is For Old Folks" könnte selbst Ella Fitzgerald kaum besser intonieren, und in der leisen Ballade "November Girl" testet sie alle Tonstärken zwischen Pianissimo und Fortissimo sorgsam aus. Die Nostalgie-Reise soll übrigens im schicken Digipak mit Fotos und Interviews aller Beteiligten erscheinen, was meinem Presse-Exemplar aus Pappe leider nur ansatzweise zu entnehmen ist. Als nächstes wollen die Bureau B-Macher übrigens eine Rarität von der großen Hildegard Knef entstauben. Fortsetzung folgt!
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