laut.de-Kritik
Hütz an Mikro und Reglern: Mehr Gogol geht nicht.
Review von Andreas DittmannMan muss gar nicht lange suchen, um zu finden, was Gogol Bordello ausmacht: Ohne den ewigen Immigrant-Punk, Weltenbummler und Tausendsassa Eugene Hütz wäre die Truppe nicht halb so bekannt. Deswegen gibt es ja auch so wenige Bands, die Gogol Bordello ähneln. Allen anderen fehlt einfach dieser dürre, irre, umtriebige Kerl mit dem imposanten Schnauzer. Bei "Seekers & Finders" hat selbiger jetzt auch noch auf dem Produzentensessel Platz genommen, um die komplette Kontrolle zu übernehmen. Mehr Gogol auf einer Platte geht also kaum.
Eugene Hütz hat verstanden, Musikstile aufzusaugen und in seiner wirren Art wiederzugeben. Das äußerte sich gerade auf den frühen Alben in dreckigem Ethno-Punk. Diese Zeiten sind vorbei, was sich hervorragend an drei Titeln verdeutlichen lässt: Das düstere "If I Ever Get Home Before Dark" hätte mit seinen Dissonanzen, geschickt eingesetzten Breaks und der durchkomponierten Dynamik auf "Super Taranta" niemals funktioniert.
"Still That Way" wiederum klingt fast nach Bruce Springsteen: Mehrstimmiger Gesang, Piano und Akkordfolge sind deutlich vom Americana-Folk inspiriert. Dann gibt es da noch den Titelsong, ein Duett mit Regina Spektor: Ihre sanfte Stimme legt sich über Hütz' krächzendes Organ und verschafft der Platte einen echten Höhepunkt. Ein richtig entspanntes und unaufgeregtes Stück Musik, das lange im Ohr bleibt.
Die Songs des Albums seien auf Reisen zwischen Osteuropa und Lateinamerika entstanden, sagt Hütz. Richtig rund wurden sie aber erst in New York. Das hört man. Die vielen interkulturellen Einflüsse bleiben überall spürbar, stehen aber trotzdem nicht nicht im Vordergrund. Hatte man bei Vorgängerplatten manchmal den Eindruck, Gogol Bordello hauten einem ihren Status als internationale Weltmusiker bewusst plakativ um die Ohren, zeigt "Seekers & Finders" eine angenehme Entspanntheit. Die Band weiß um ihre Einflüsse, setzt sie aber geschickter und ausgewählter ein.
"Clearvoyance" oder "Familia Bonfireball" liefern Beispiele für diese innere Ruhe. Leider füllt die Truppe diese aber nicht immer auch mit Spannung. Zu oft dümpeln die Nummern einfach nur vor sich hin. Wenn es dann wieder ordentlich abgeht, wirken Gogol Bordello etwas zu routiniert. Trotzdem fängt gerade der Einstieg mit den ersten drei rumpeligen Gypsy-Punk-Songs Fans schnell ein. Auch danach drücken die Damen und Herren immer wieder das Gaspedal durch, etwa bei "Saboteur Blues".
Die Trademarks der Band zeigen sich also von Anfang an und bleiben das ganze Album über erhalten: quietschende Geige, schneller Balkan-Folk und viel Dreck unter den Fingernägeln. Freilich, erst Eugene Hütz macht aus "Seekers & Finders" ein richtiges Gogol Bordello-Album, weil er auch den untypischen Songs seine krakeelende Stimme aufdrückt. Aber er nimmt sich immer wieder zurück, um seinen Musikern (großartig vor allem Thomas Gobea am Bass) Platz einzuräumen. So wirkt "Seekers & Finders" vielseitig und verspielt, nur fehlt den Tracks oft der lange Atem, um wirklich zu begeistern.
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