laut.de-Kritik
Ein Trip zwischen Noise-Prog und Dream-Pop.
Review von Eberhard Dobler2020 blickt man staunend auf Troy Sanders: Der Mastodon-Sänger/Bassist veröffentlicht als Teil dreier Bands Material, das durchweg deutlich über dem Durchschnitt anzusiedeln ist. Die besagten Releases fallen zeitlich eher zufällig zusammen: Erst eine amtliche Raritäten-Collection seiner Hauptband (September). Mitte November folgte nach sechsjähriger Pause eine neue Killer Be Killed, die alle Erwartungen erfüllt. Nur drei Wochen später liegt der Zweitling von Gone Is Gone vor (und die neue Mastodon ist ja auch noch in der Mache).
Einen dermaßen hohen und qualitativ ansprechenden Output stemmt einer nicht alleine. Dafür braucht es schon noch weitere kreative, technisch versierte und im Genre erprobte Köpfe: Bei Gone Is Gone steht neben Multiinstrumentalist Mike Zarin noch Troy Van Leeuwen im Line-up. Im Hauptberuf Gitarrist gehört er seit 2002 u.a. QOTSA an. Zuvor spielte er bei A Perfect Circle, um nur die bekanntesten Stationen seiner Karriere zu nennen. Drummer Tony Hajjar wurde mit At The Drive-In bekannt.
Auf drei Rundlingen lässt sich die eigenwillige Expertise dieses Quartetts seit 2016 nachhören. Verstörend gehen Gone Is Gone immer zu Werke. War die gleichnamige Debüt-EP noch überwiegend von atmosphärisch rohem Post-Metal-Songwriting geprägt, öffnete sich der Sound des ersten Albums in Richtung Alternative-Rock, zudem flocht man bedächtig wirkendere Passagen ein. Auf dem zweiten Studioalbum operieren Gone Is Gone nun mit betont offeneren Arrangements, statt jeden Song von vorne bis hinten durchzustrukturieren. Die Platte klingt experimenteller und auch industrialorientierter.
Nach einem bedrohlichen, rein instrumentalen Synthieintro hört sich "Say Nothing" in den ersten 50 Sekunden fast nach dem Downbeat Massive Attacks an, bevor sich langsam aber sicher schwereres Geschütz aufbaut. "Everything Is Wonderfall" scheppert anschließend dunkel los. Bei beiden Nummern fallen besonders die Gitarren auf: prägnant und mit starker Präsenz sägen sie sich aus den Arrangements hervor.
"Sometimes I Feel" pendelt wunderbar zwischen atmosphärischen Synthies respektive fast schon verträumten, teils effektbeladenen Vocals und hyperaktiven Drums: Gone Is Gone fahren hier einen ganz eigenen Dream-Pop-Trip. Die melancholische Soundlandschaft "Wings Of Hope" - nur Sanders' Bass sorgt für etwas rhythmische Akzentuierung - kam zuvor ganz ohne Drums und Noise aus.
"No One Ever Walked On Water" stampft dagegen markant dröhnend voran und käme auf jedem Depeche Mode-Konzert an, "Breaks" könnte hingegen NIN-Fans gefallen. Noisige Downbeat-Atmo kennzeichnet zu Beginn "Death Of A Dream", bevor der Song in dunkle Alternative-Gefilde umschwenkt. "Crimson, Chaos And You" zeichnet eine eher undefinierbar meditative Geräuschkulisse aus.
"Payoff", das auf einem coolen Riff basiert, kommt als Noiserock ohne harten Beat. "Force Of A Feather" verbreitet danach Grabesstimmung. Auch "Dirge For Delusions" schleppt sich dahin, legt im letzten Drittel aber noch eine überraschend dissonante Wendung hin. Hier mag man auch die einzige Schwäche der Platte ausmachen: Die Band gibt dem Fan mit zunehmender Spieldauer weniger Orientierung an die Hand.
Nichtsdestotrotz steckten Sanders und Co. hörbar Arbeit in das Album, für das Drummer Hajjar den bisher geringsten Studioaufwand betrieben haben dürfte: Gone Is Gone wollen sich nicht wiederholen, die Band experimentiert lieber. Dabei verkopft sie sich nicht zu arg, sondern lässt sich auch mal treiben. Vom tendenziellen Kopfnickfaktor der Debüt-EP bleibt so freilich wenig übrig. Somit erschließt sich "If Everything Happens For A Reason...Then Nothing Really Matters At All" am besten über Kopfhörer.
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