laut.de-Kritik
Wie eine Anthologie-Serie für die Playlist.
Review von Simon ConradsDie Gorillaz machen seit jeher Musik, die wie eine Blaupause des Future-Pop klingt. Wirr, wild, stellenweise überfordernd und vor allem Genre-Grenzen sprengend. Immer schwingt dieses Gefühl mit, dass wir jetzt noch gar nicht richtig in der Lage sind, die neusten Stücke in Fülle zu genießen. Nicht zuletzt sorgt natürlich auch Zeichner Jamie Hewlett dafür, der für die erste 'virtuelle Band' einen ikonischen Comic-Look erdachte. Beim neuen Album wird dieser Eindruck noch gestützt von einer ungewöhnlichen Veröffentlichungsstrategie.
"Song Machine: Season One - Strange Timez" heißt der neue Wurf, der kein ganz großer geworden ist, aber einer mit vielen starken Momenten. Seit Januar erschienen einzelne Musikvideos, die als Episoden der Song Machine bezeichnet wurden, jedes mit neuen Feature-Gästen. In einem Pressetext zur Ankündigung wurde das virtuelle Bandmitglied Russel Hobbs dazu wie folgt zitiert: "Die Welt bewegt sich schneller als ein aufgeladener Partikel, also müssen wir bereit bleiben, zu veröffentlichen. Wir wissen nicht mal, wer als nächstes ins Studio kommt. Song Machine ernährt sich vom Unwissen, wird angetrieben von purem Chaos."
Ganz so nach Chaos, wie von Russel angekündigt, klingt das fertige Album dann nicht, aber der rote Faden, den Albarns (beziehungsweise 2-Ds) Stimme früher durch ein Gorillaz-Album spann, ist definitiv dünner geworden. Noch mehr Platz als gewohnt bekommen die Gäste. In "The Pink Phantom" trifft beispielsweise Rapper 6lack mit Autotune auf Elton John. Die Kombi, die man so nicht unbedingt erwartet hätte, funktioniert in dem melancholischen, schlurfenden Titel ziemlich gut. Ähnlich gut und überraschend klingt "Momentary Bliss", der Slowthai und Slaves zusammen bringt und vor allem mit seiner In-Die-Fresse-Erbaulichkeit und der punkigen Attitüde überzeugt. "It makes me sick to think you ain't happy in your skin", heißt es im Refrain. Slowthai tönt wie eine wütendere Version von Mike Skinner.
Gestartet ist das Projekt also bereits im Frühjahr, einige Stücke, unter anderem der passend betitelte Opener "Strange Timez", wurden allerdings erst während der Quarantäne produziert. Der Song führt Robert Smith in das Gorillaz-Universum ein. Smith singt über Sci-Fi-Instrumentals und einen soften Beat, der erst nach knapp zwei Minuten richtig in Fahrt kommt und erinnert dabei an James Murphy von LCD Soundsystem. Der The Cure-Sänger fügt sich ähnlich gut in den Sound von Damon Albarn und seinen Mitstreitern ein, wie einst Lou Reed bei "Some Kind Of Nature".
Andere Paarungen, etwa "Dead Butterflies" mit Kano und Roxano Arias, wirken weniger überzeugend. Der Track gerät mit dem schleppenden Trap-Beat arg repetitiv und schläfrig. Auch die Zusammenarbeit mit Lee John, "The Lost Chord", geht zwischen den deutlich besseren Stücken "The Valley Of Pagans" und "Pac-Man" unter. Selbst St. Vincent fällt mit ihrem Feature auf "Chalk Tablet Towers" kaum auf, was freilich auch an der schieren Masse der Gäste liegt.
In der Standard-Version des Albums servieren die Gorillaz zwölf Tracks, die bei Streaming-Diensten verfügbare Deluxe-Version enthält sogar 17. In dieser längeren Version, die die meisten Hörer*innen erreichen wird, ist das Album mit über einer Stunde Laufzeit auch recht lang geraten, was die erwähnten, eher halbgaren Stücke umso bedauerlicher macht. Vor allem enthält das Album mit den beiden tracks "Aries" und "Désolé" zwei der stärksten Gorillaz-Nummern seit langem. Für Erstgenanntes hat Albarn sogar New Order-Bassist Peter Hook gewinnen können, der den 80er-Synth-Pop-Song gemeinsam mit der Sängerin Georgia veredelt. "Désolé" verbreitet auch dank der bestens aufgelegten Performance von Fatoumata Diawara sonnige Vibes für den düsteren Herbst.
So wirkt diese erste Season dann am Ende häufig wie eine Anthologie-Serie, in der jede Episode für sich selbst steht, ohne eng mit den anderen Folgen verzahnt zu sein. Vielleicht muss man das alles auch einfach als Angebot verstehen und weniger als kohärentes Album, aus dem sich jede*r Hörer*in die Perlen raus picken kann. Dann funktioniert es bestens, zumal heutzutage viele nur noch die paar Lieblingssongs in ihre Playlists hauen und das Albumkonzept leider an Bedeutung verliert.
5 Kommentare mit 4 Antworten
Warum gibts die eigentlich immer noch? Nach "Plastic Beach" war alles von denen absolut überflüssig. Albarn ist immer noch zu fähig für diesen Standardshit.
Das stimmt. Hoffentlich gibt er sich für ne neue LP nochmal so richtig, richtig Mühe.
Die review klingt eigentlich eher nach 4 als 3 sternen. 4 wären auch verdient, es sind schon einiger perlen dabei!
und die produktion ist einfach großartig!
... da kann ich nur beipflichten.
Hmm, bis auf wenige Ausnahmen langweilt mich das irgendwie.
das machen auch die Kommentare hier..bis auf wenige Ausnahmen langweilen sie mich. Übriges die hier auch !
Find ich ganz geil sogar! Besser als den letzten Output, da ist irgendwie nix hängen geblieben, hier sind echt einige coole Tracks dabei, ich find die Playlist-artige Aufmachung auch nicht so schlimm. Als nicht vollwertiges Album auf jeden Fall eine schöne Sache mit vielen interessanten Features. Einen Tick mehr Eigenständigkeit vom Sound her wäre natürlich in Zukunft wieder wünschenswert.
Gorillaz waren einmal. Schade.
Hm..der Kommentrar war (nicht) einmal . Was auch immer !