laut.de-Kritik

"Das süße Leben ist mir eine Sünde wert."

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"Wer, wenn nicht Sie, gehört in den Knast?", soll ihm der Richter an den Kopf geworfen haben, als er das Urteil wegen Verstößen gegen das Waffengesetz, Drogenbesitz, versuchten Diebstahls und Körperverletzung auf 18 Monate Haft festlegte. Beim Berufungsprozess blieben davon noch acht Monate und eine Geldstrafe übrig. Seit September ist Gzuz nun schon wieder auf freiem Fuß, ohne der Öffentlichkeit eine echte Auszeit von sich gegönnt zu haben. Denn völlig ungerührt von seinen "Jungsstreichen", Gerichtsprozessen, Haftstrafen und Zwisten mit St. Pauli veröffentlicht er pausenlos neue Songs.

Seinen Gefängnis-Ausstand feiert Gzuz zusammen mit Bausa in "Riechst Du Das". "War auf acht Quadratmetern eingesperrt. Jetzt bin ich raus und mein Leben ist beneidenswert", freut sich der noch immer wie ein stark speichelnder Kampfhund rappende Hamburger über seine wiedergewonnene Freiheit, auf die er umgehend bei einer Orgie mit Kokain anstößt. "Jungs machen, was sie können. Männer machen, was sie wollen", lautet sein selbstgerechtes Fazit. Damit bringt er exakt jene Einstellung auf den Punkt, wegen derer die Justiz den Freiheiten des "Sozialrüpels" immer wieder Grenzen setzt.

Herrlich absurd fällt dafür die Disco-Produktion von "Riechst Du Das" aus. Gzuz knurrt so unkultiviert vor sich hin, dass Tanz-Musik älterer Schule in dieser Welt gar nicht existieren dürfte. Ebenfalls völlig untypisch erklingt "20 Taschen" mit LX, für das The Cratez und MEZ den Rattenfänger von Hameln auf den Beifahrersitz ihres Lamborghini gesetzt haben, um bei Vollspeed durch die Hood zu flöten. Dagegen setzt etwa "Hansestadt" auf den brodelnden Trademark-Sound der 187-Marke. Das mag bestens funktionieren, doch könnte in unveränderter Form bereits 2017 auf "Sampler 4" erschienen sein.

Was auf die Musik zutrifft, gilt doppelt für den Inhalt. "Push-Ups, Klimmzüge, Kush paffen, Puff gehen - das steht alles auf mein' Trainingsplan", fasst Gzuz den Alltag in der "Hansestadt" zusammen. Enervierend arbeitet er sich an den immergleichen Erzählungen ab, die er mit Dumm-und-stolz-drauf-Pose präsentiert, als sei er ein Relikt aus der „Jackass“-Hochphase. Selbst mit prallem Portemonnaie entzieht sich der Rapper den Codes höherer Schichten und betont stattdessen stolz die eigene Verwahrlosung. "Vor dem Spät wie ein Junkie, aber immer im Mercedes kommen. Kenn kein' Filet Mignon."

So unangenehm sich der herrschaftslose Gzuz zumeist aufführt, er ist jederzeit der grüblerischen Variante vorzuziehen. Mit schwerem Herzen macht er sich in "Noch Ein Glas" auf, um ohne jede Ironie mehr Reue für seine Karriere als für seine kriminelle Laufbahn zu zeigen. "Zwischen Fast Life und den Schlagzeilen - glaub' mir, du willst kein Star sein", fordert der Hamburger geradezu Mitleid für seinen Ruhm ein, obwohl dieser ja auch einige Vorteile zu bieten scheint: "Auch während ich weg war, hat die Kohle sich vermehrt." Jeder Fan sollte sich von so viel Fake-Introspektion veralbert vorkommen.

Letztlich gilt für den Rapper dasselbe wie für Apache 207 ("Gartenstadt") und Liz ("Amy Winehouze"): Niemand zwingt sie zu diesem schrecklichen Job. Sie könnten ihr Glück auch abseits der Öffentlichkeit suchen. Womöglich wird auch die Justiz dem Straßenbanditen die Entscheidung abnehmen, denn dieser steht zur Zeit für drei Jahre unter Bewährung. "Der Knast hat mich geläutert, ja, ich schummel' nur bei Mau-Mau", beteuert er zwar in "Unerlaubtes Fahren", doch letztlich gilt für einen radikalen Freigeist wie Gzuz natürlich das Credo aus "Lindenberg": "Das süße Leben ist mir eine Sünde wert."

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Unerlaubtes Fahren (mit Bonez MC)
  3. 3. Motorsport (mit LX)
  4. 4. Riechst Du Das (mit Bausa)
  5. 5. G Wagon
  6. 6. 20 Taschen (mit LX)
  7. 7. Hansestadt (mit Sa4)
  8. 8. Himmel Wird Blau (mit Olexesh und Bonez MC)
  9. 9. Lindenberg
  10. 10. Noch Ein Glas
  11. 11. Tysonschnitt (mit Maxwell und Sa4)
  12. 12. Happy End ;) (mit SSIO)

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