laut.de-Kritik

Nachts sind alle Katzen bunt.

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"Do you ever wonder why I sing these love songs, when I have no love at all?", fragt Hamilton Leithauser voller Zynismus und Melancholie im Opener "5 AM", einer getragen holpernden Piano-Ballade, die man schon jetzt getrost zu den besten Songs des Jahres zählen darf. Von Frank Sinatras "In The Wee Small Hours" beeinflusst, zieht das elegante Arrangement mit seinen Scott Walker-Streichern die ganze Aufmerksamkeit auf die Stimme des The Walkmen-Sängers. Die Hoffnung auf ein zermürbendes Drama auf Album-Länge steigt.

Papperlapapp. "5 AM" sowie der Titel "Black Hours" führen auf eine falsche Spur. Wer nach den ersten Minuten ein schummriges, in sich geschlossenes Werk im Stile von Nick Caves "The Boatsman's Call" erwartet, den belehrt Leithauser schnell eines Besseren. Bereits das mopsfidel hopsende "The Silent Orchestra" bricht komplett aus. Nur noch einmal kehrt der Sänger für "St Mary's Country" an diesen dunklen Ort zurück.

Nachdem The Walkmen im November bekannt gaben, dass sie eine 'extreme Auszeit' nehmen, gelingt ihrem Frontmann mit der markanten Stimme zwischen Joe Strummer, Bob Dylan und Lou Reed ein Solo-Debüt voller Spielwitz. Co-Produzent und Co-Autor Rostam Batmanglij von Vampire Weekend hört man "Black Hours" deutlich an, ohne dass er das Album abschnürt und Leithauser zu einer Kopie seiner Stammband verkommen lässt. In jedem Moment behält dieser das Sagen, Batmanglij hilft ihm lediglich beim Einfärben. Unterstützung findet das Team in Richard Swift (The Shins), Morgan Henderson (Fleet Foxes), Amber Coffman (Dirty Projectors), Hugh McIntosh (The Recoys) und The Walkmen-Gitarristen Paul Maroon.

In "Alexandra" platzt die Euphorie endgültig aus Leithauser heraus. Das zu Beginn noch in monochrom aufgenommene "Black Hours"-Bild explodiert in 100.000 Farben. Turbulente Orgeln, ein stampfender Beat und letztendlich Batmanglijs Mundharmonika unterstützten das beschwingt-beschwipste Stück, durch dessen Zeilen nur noch leise die Wehmut flüstert.

Eine weitere Attraktion auf dem "Black Hours"- Rummel bietet "I Retired", das wie ein Country-Doo-Wop von Dylans "Blonde On Blonde" beginnt, um im späteren Verlauf mit ganz viel Schubiduwap, Hall und Schmalz in der Stimme in Richtung Elvis Presley abzubiegen. Im behaglichen "11 O'Clock Friday Night" treffen eine wohltönende Marimba und Afro-Pop-Percussions aufeinander. Ohne die Arme zu weit auszufahren, ruft die gediegene Hymne "The Smallest Splinter" zum großen Finale.

Trotz manch eines schrulligen Abstechers glückt Hamilton Leithauser ein ausgewogenes Album, das den Geist von The Walkmen, Rock'n'Roll und Pop in sich trägt. Batmanglijs üppige Arrangements, seine spielerische Intelligenz und seine reiche Klangpalette helfen dabei, die "Black Hours" den Händen der Dunkelheimer zu entreißen. In der Nacht sind nicht alle Katzen grau. Manchmal scheinen sie auch kunterbunt.

Trackliste

  1. 1. 5 AM
  2. 2. The Silent Orchestra
  3. 3. Alexandra
  4. 4. 11 O'Clock Friday Night
  5. 5. St Mary's County
  6. 6. Self Pity
  7. 7. I Retired
  8. 8. I Don't Need Anyone
  9. 9. Bless Your Heart
  10. 10. The Smallest Splinter

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