laut.de-Kritik
Hier wabbeln mit Bier genährte Bäuche zufrieden im Takt.
Review von Yan TemminghoffMänner in Ritterrüstungen haben im Hochsommer keine Konjunktur. Egal, denkt sich das Blechbüchsenkommando von Hammerfall, wuchtet das dreizehnte Studioalbum in die verschwitzten Hände der Anhängerschar und füllt mit einer fist full of metal das Sommerloch. So wie Bandmaskotchen Hector seinen Hammer kreisen lässt, liefern Joachim Cans und Co. zehn waschechte und an der Stahlschmiede der Achtziger orientierte Metal-Hymnen ab, mit einer Zuverlässigkeit, von der sich die Deutsche Bahn eine Scheibe abschneiden könnte. Bretter wie "The End Justifies" und "Rise Of Evil" oder die vor Kitsch zerfließende Powerballade "Hope Springs Eternal" halten wacker an der Tradition fest. Innovation klingt anders.
Wir schreiben das Jahr 1997. Im Metalversum herrscht gähnende Leere. Die Grunge-Plosion klingt gerade ab und Nu Metal schickt sich an, das nächste große Ding zu werden. Da erschütterten fünf junge Schweden die Metal-Community mit "Glory To The Brave", einem Album truer als Manowar und mehr Metal als Priest und Maiden in diesen Jahren zusammen.
So hell der Impact dieses Ritterschlages des gepflegten Stahls auch heute noch leuchtet, haben Hammerfall in den darauffolgenden 27 Jahren ihre Rezeptur nur unmerklich geändert. Chef-Blondine Oscar Dronjak hätte in den Neunzigern bei Baywatch Karriere machen können, entschied sich gegen den Badeanzug und für die Ritterrüstung und zwirbelt sich klassische wie klischeebehaftete Riffs aus seinen Fingern, die jedem Hobby-Handwerker zeigen, wo der Hammer hängt.
Sänger Joachim Cans könnte auch in der Oper trällern, macht mit seinem Organ lieber die Metal-Bühnen unsicher und strahlt Energie und Freude an Travestie und Mummenschanz aus. Mit "Avenge The Fallen" gelingt den schwedischen Stahlarbeitern ein Paukenschlag. Der Titelsong ist eine kleine Ouvertüre und lehnt sich in Sachen Epik und Theatralik an Manowars "Battle Hymns" an. In bester "Steel Meets Steel" Tradition kommt das speedige "The End Justifies" um die Ecke, ein Song indem Joachim Cans höher singt als Hochsprung-Weltrekordler Armand Duplantis fliegt.
Der Dreikampf - Burg erobern, Drache töten, Prinzessin retten - zieht sich wie ein blutroter Faden durch die Schlachtplatte. Wer spätestens bei der unheiligen Dreifaltigkeit aus "Freedom", "Hail To The King" und "Hero To All" keine Tränen in den Augen hat - ob aus Freude, oder Trauer sei dahingestellt - ist ein Wimp und Poser. Hier wabbeln die mit Gerstensaft wohlgenährten Bäuche zufrieden im Takt.
Das balladeske "Hope Springs Eternal" beantworten die Recken mit dem brachialen "Burn It Down", das beweist, dass Hammerfall noch lange nicht zur Ritter Rost-Fraktion gehören. Das hymnische Happy Metal-Lied "Capture The Dream" und das Kraft-strotzende "Rise Of Evil" halten eisern an der Tradition fest, bevor "Time Immemorial" vollendet, was der Opener begonnen hat; ein episches voller Orchester, Chöre und zuckrigen Melodien triefendes Stück, komponiert aus dem Reinheitsgebot des Metal, das alles zusammenfasst, was man an Hammerfall liebt und hasst. Rüstige Recken oder rostige Ritter? Entscheidet selbst!
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