laut.de-Kritik
Ein würdiger Abschied von Sängerin Siri Bergnéhr.
Review von Laura Weinert"Was ist Luxus?", fragt Siri Bergnéhr in den Annalen zu "Long Live Lounge". Dass die schwedische Sängerin da nicht in erster Linie an russischen Kaviar denkt, ist angesichts ihrer Geschichte klar. 2010 erlitt sie einen leichten Schlaganfall, ihre Band Hellsongs gibt daraufhin ihre Auflösung bekannt. Ein letztes Mal salutieren Kalle Karlsson und Johan Bringhed sowohl ihren Fans, als auch ihrer Frontfrau mit Mitgliedern des Gothenburg Symphony Orchestras und bannen diesen Auftritt auf Platte.
Die Unterstützung von Streichern, Bläsern und Kontrabass verleiht den Songs ein opulenteres Antlitz ("We're Not Gonna Take It"). Das sorgt zuweilen für eine Menge Dramatik ("Youth Gone Wild", "I Just Want You"), in anderen Momenten für waldige Ausgelassenheit ("Skeletons Of Society", "Heaven Can Wait"). Gänsehaut beschert die Einheit von Band und Publikum in von Mitgröl- auf Mitsingmomente reduzierten Sekunden wie in "Run To The Hills". Solche Augenblicke hätte es gerne häufiger geben können. Hier halten sich auch die Orchestermusiker angenehm zurück.
Mit "War Pigs", "Seek & Destroy", "The Evil That Men Do", "10.000 Lovers" und "I Just Want You" dürfte für den durchschnittlich engagierten Hörer zudem einiges Neues dabei sein, da alle Stücke Teile von EPs und Singles waren, die nicht in Deutschland erschienen sind. In erster Linie geht es aber darum, bekannte Studiosongs im neuen Licht zu präsentieren. Der Reiz der Hellsongs-Musik entsteht nach wie vor durch die Übersetzung von Hartbekanntem ins Leichte und Poppige. Metal für die skandinavische Holzhütte sozusagen. Der Polarisierungsfaktor war von Beginn an hoch.
Fans der Originale schlagen sich regelmäßig nicht nur unter YouTube-Videos die Metalheads ein, ob das Hellsongs-Projekt nun als Beleidigung oder Hommage für Slayer, Iron Maiden oder Pantera einzustufen ist. Für mich, Freundin von sanften Popklängen und hartem Schrumm-Schrumm eher abgeneigt, ist es klar eine Huldigung. Gerade ein Stück wie "Run To The Hills", das von den Gräueltaten der Kolonialisierung erzählt, funktioniert dermaßen reduziert weitaus eindringlicher.
Zwei Runden lang klappte das mutige Konzept, Metal-Classics in die Akustik-Lounge zu bringen, auf Platte hervorragend. Wer das Trio einmal live gesehen hat, weiß deren Qualitäten ohnehin zu schätzen. Dies ist nämlich ihre eigentliche Paradedisziplin, besonders die von Sängerin Bergnéhr. Wie sie sich in Glitzerkleidchen und Neon-Sneakers zu ihrem beruhigten Akustik-Pop wiegte und dazu mit Publikum und Band kokettierte, hatte stets höchsten Unterhaltungswert.
Hatte? Wird wieder haben! Ihre Auflösung revidierten Kalle Karlsson und Johan Bringhed nämlich inzwischen. Die Band gab bekannt, mit neuer Frontfrau im Frühjahr wieder auf Tour gehen zu wollen. Siri Bergnéhr erfährt mit "Long Live Lounge" einen absolut würdigen Abschied.
2 Kommentare
"Gerade ein Stück wie "Run To The Hills", das von den Gräueltaten der Kolonialisierung erzählt, funktioniert dermaßen reduziert weitaus eindringlicher." d a s ist genau ihr großer verdienst. wenn sie jenseits der seichteren popmucke die melancholische kelle rausholen, sind die einfach unschlagbar. "youth gone wild" finde ich in der hellsongsvariante regelrecht großartig. toller text, werte weinkönigin
Da wimmert mir sogleich Tori Amos "Raining Blood" als Slayer-Cover im Ohr und dann sieht man auch den Unterschied in der Klasse. Nette Idee für Musikquize, aber die Cover sind auch nur noch textlich zu eraten. Mal ganz nett, auch wenn Fans genannter Maiden der Band sicher für ihre Version den Hals umdrehen würden. Aber what's up!