laut.de-Kritik
Der Hamburger Nachlass.
Review von Christoph DornerDie Blicke streifen über weites Land, grüne Wiesen, bestellte Äcker: "Das wird alles einmal dir gehören", sagt der Vater bestimmt zu seinem Sohn. Der nickt, er weiß um die Bürde, die ihm damit auferlegt wird. Danach geben beide ihren Pferden die Sporen. Cut. Die Vorstellung einer solch patriachalischen Szene aus scharz-weißem Feudal-Kino will eigentlich so gar nicht zur basisnahen Hamburger Band Herrenmagazin passen.
Aber so ist es nun einmal mit allen Bands aus der Hansestadt, denen immer noch das geografische Etikett mit der geteilten Schulbank angeheftet wird: Wer ohne Hafenmelancholie, Ironie und doppelten Boden daherkommt, gehört da gleich in die Plattenkiste mit Lotto King Karl. So sind es auch bei Herrenmagazin die Texte und nicht die Musik, die auf ihrem zweiten Album die Assziationsräume aufreißen.
Natürlich werden Herrenmagazin in der Szene auch dafür geliebt, dass sie in Low Fidelity losrumpeln wie Indie-Rocker und Emopunk-Combos aus den 90er Jahren. Jupiter Jones, The Get Up Kids, Boxhamsters, Guided By Voices und vor allem Grafzahl – wer schon diese Bands abseits der ganz großen Straßen und des musikalischen Zeitgeists mochte, findet sich auch bei Herrenmagazin schnell gut aufgehoben.
Die elf Songs sind mit dynamischen Akkordfolgen, kleinen Melodie-Schnörkeln an der zweiten Gitarre, schepperndem Schlagzeug und wohlgesetzten Breaks zumindest ordentlich komponiert, dabei aber nicht mehr als der Resonanzboden für Deniz Jaspersens melancholisches Tresengejaule des postmodernen Jedermanns.
Die Faszination für Herrenmagazin manifestiert sich letztlich genauso wie bei Tomte, Kettcar oder Gisbert zu Knyphausen. Bodenständige Musiker ohne intellektuelles Gehabe finden besondere Worte für das Alltägliche, die so oder so ähnlich auch bei einem selbst im Kopf herumschwirren. In den Texten steht das verzweifelte Ich neben dem flehentlichen Du, das umarmende Wir neben dem anklagenden Sie – so etwas schafft Identifikation.
"Keiner will so sein, doch alle sind so / Im Zweifel gut gemeint, doch alle sind so", singen Jaspersen und Knyphausen in "Alle sind so", ehe sachte Pianoschläge übernehmen und man sich wie schon bei Thees Uhlmann wundert, zu welch großer musikalischer Geste die Jungens um Gary-Schlagzeuger Rasmus Engler fähig sind.
Natürlich trifft dabei nicht jeder Song mitten ins sprichwörtliche Herz, mit "In den dunkelsten Stunden", "Hals über Kopf", "Gold für Eisen" und "Krieg" mit seinem bitterernsten Metal-Zitat ist jedoch genug Erbmasse vorhanden, die Herrenmagazin irgendwann ihren Nachkommen vermachen können. Uns gehört das alles jetzt schon.
2 Kommentare
Versteh das mit Lotto nicht, und du anscheinend auch nicht.
Versteh das mit Lotto nicht, und du anscheinend auch nicht.