laut.de-Kritik
Hardcore-Horrortrap: eher nix für den gepflegten Tanztee.
Review von Dani FrommWenn jemals eine Platte einen Warnhinweis auf dem Cover verdient hätte, dann diese: Die "United States Of Horror" sollte man wirklich nur in dem Wissen betreten, dass Ho99o9 niemanden ungeschoren davon kommen lassen. Im Grunde bleiben nur zwei Optionen: Entweder, du tauchst in das Inferno ein, das Eaddy und TheOGM entfesseln, dann aber mit allem, was du hast. Oder du drehst dich um und rennst. Jetzt. So lange du noch kannst.
Wenn Ho99o9 nämlich erst mit dir fertig sind, dann sitzt du sabbernd in der Ecke, umgeben von den Trümmern deiner Rübe, und versuchst, dem Pudding, der von deinem Hirn übrig ist, Antworten abzuringen, während die großen Fragen feixend um dich herumtanzen. Was zum Geier hab' ich da gerade gehört?
"Anarchy and chaos", ohne Frage. Genauere Genredefinitionen? Vergisses. "United States Of Horror" klingt in einem Moment nach Industrial, suhlt sich im nächsten in schroffen Elektro-Sounds, nur um eine Sekunde später ein Metal-Riff aufzufahren. Oder Trap und Horrorcore und Doom und Thrash und - wie bitte? - mitten in der Prügelei dann wieder ganz absurdes Hawaii-Gefühl ("Sub-Zer0").
Wenn sich Eaddy und TheOGM in ringsumher detonierenden Geräuschkulissen die Seelen aus dem Leib keifen und ihre Lungenflügel und beliebige weitere Innereien gleich hinterher kotzen, kommen sie mir wie eine restlos durchgeknallte Hardcore-Punk-Version von Dälek vor. Oder wie Health, nachdem denen jemand das Synthpop-Rückgrat herausgerissen und gegen ein Gitarre-und-Drums-Massaker getauscht hat. Abgefahrener, knüppelharter Scheiß, das, ganz sicher nix für den gepflegten Tanztee.
Nächstes Mysterium: Wie kann es sein, dass sich Ho99o9 nicht für eine politische Band halten? "If you stand for something: Put your fist in the air." Nicht politisch? Explizite Positionierung gegen "police brutality, racism, government oppression, motherfuckers abusing their powers": nicht politisch? Texte, Bilder, die ganze zügellose, jede geltende Regel in den Staub tretende Attitüde: Darin steckt doch eigentlich nicht nur die Quintessenz von Punk, sondern darüber hinaus um Welten mehr gesellschaftliche Sprengkraft, als die meisten aufgeboten kriegen, die sich "Fuck the system!" auf die Fahnen schreiben.
Aber, nö: "Ho99o9 ist kein bisschen politisch", behauptet TheOGM. "Wir reden einfach über das, wovon wir etwas verstehen. Über den Scheiß, den wir in den Nachrichten sehen, über Dinge, die wir hören oder durchmachen, im Leben. Die Dinge, über die die Menschen sprechen. Realität." Das soll nicht politisch sein? Das Video zum vorab ausgekoppelten Titeltrack mit seiner "Clockwork Orange"-Referenz und den gezeigten Ku-Klux-Klan-Anhängern, wehenden Hakenkreuz-Fahnen, Trump und anderen Hässlichkeiten der jüngeren Geschichte: nicht politisch? Was dann?
Besagter Titeltrack geht übrigens locker als eine der zahmeren Nummern auf dem Album durch. Wie ist das möglich? Und wie, dass diese ganze Platte bestenfalls eine vage Ahnung davon vermittelt, was es bedeutet, Ho99o9 live zu begegnen? Muss aber wohl stimmen, davon künden unzählige Berichte unerschrockener Augenzeugen.
Eaddy erinnert sich an den allerersten gemeinsamen Auftritt: "Ich war komplett zerstört. Ich hatte damals eine Glatze und hab' eine Glasflasche ins Gesicht geschlagen bekommen. Mein Auge hat geblutet. Es war wunderschön." Szenen, wie sie auch hartgesottenes Publikum aus der Fassung bringen: "Es gehört Einiges dazu, eine Berghain-Crowd zu verängstigen, aber Ho99o9 haben das ruhmreich hinbekommen."
Ihr Gig beim diesjährigen SXSW in Austin umfasste zwar nur zwei Songs, reichte aber aus, um die Hälfte des Publikums aus dem Haus zu graulen und die andere in rasende Ekstase zu versetzen. "Das war nicht nur der schockierendste Liveact des Festivals", resümiert Cuepoint. "So etwas gibt es auf diesem Planeten einfach kein zweites Mal." Was lernen wir daraus? Hingehen, wann immer sich eine Gelegenheit bietet. Sofern ihr euch traut. Viel Glück.
3 Kommentare mit einer Antwort
Singles und vor allem der Titeltrack haben mich nicht so gebockt. Hoffe da steckt noch ne Spur mehr Death Grips drin.
ganz wundervolles teil
So ne Rezi schreibt nur jemand, der die das nicht mit Punk Metal frühem Prog aufgewachsen ist. Ja ganz lustig. Aber der Horror hält sich ARG in Grenzen
Du scheinst ein ziemlich harter Hund zu sein, vor Dir muss man sich, denke ich, fürchten.