laut.de-Kritik

Halb die Dietrich, halb Haiyti mit Dreigroschenoper-Swag.

Review von

"Das, was da zu einer vermeintlichen Szene zusammengefasst wird, ist sehr heterogen. Ich tue mich schwer, eine Verbindung zu erkennen. Aber diese Cloudrap-Thematik ist ja eh schon überholt, oder?" Das wusste Crack Ignaz schon 2017 gegenüber der Juice. Zwei Jahre später kann man das "oder?" streichen: Yung Hurn erreichte seinen Zenit mit "Love Hotel" und wurschtelt sich seitdem so durch, von Crack Ignaz selbst hat man länger nichts mehr gehört, Künstler wie Bambus machen ihr Ding in der Nische.

Hunney Pimp hat ihre musikalischen Wurzeln in der gleichen Zeit und Ästhetik, die man unter dem Begriff "Cloudrap" subsumiert und damit sofort Sounds, Bilder, Stimmungen verbindet, als sei das alles nicht erst zwei bis vier Jahre her. Hier könnte ein müßiger Hinweis auf die Schnelllebigkeit der Kunst in Zeiten von Social Media, Endzeitstimmung und Virtual-Reality-Pornographie stehen. Vor diesem Hintergrund hat sich Hunney Pimp entschieden, ihre soundtechnischen Wurzeln zu erden, indem sie mit nostalgischen Motiven und Anklängen an Fiktionen der Vergangenheit spielt.

Auf Deutsch: Hunney Pimp chillt immer noch in der Trap, aber die trägt jetzt Tuxedos und rote Abendkleider anstatt Fischermützen und Versace-T-Shirts. "Chicago Baby" besticht mit einem über weite Strecken konsequent umgesetzten Sound. Der klingt, als entstamme er einem Cloudrap-Delirium, das zu sehr konkreten Halluzinationen geführt hat. Wo vorher Gewaber war, sind jetzt durchstrukturierte Beats, Assoziations-Gemurmel hat zugunsten von Gesang und klassisch gerappten Parts ausgedient.

Zudem ist es auch nicht mehr mit schludriger Handyclipästhetik getan. Die Nostalgie-Noir-Videos zum Album in Dreißiger-Gangster-Ästhetik sind für einen Nicht-Muttersprachler von Wiener Schmäh zudem der Hauptzugang zur Story um Liebe, Rosen und Revolver, die Hunney Pimp auf "Chicago Baby" ausbreitet. Inhaltlich kommt man mit der Mundart nicht wirklich mit, was der Erzählung keinen Abbruch tut.

Liebe, Rosen und Revolver hört man auch so heraus, und diese immer noch präsente cloudige, abgedriftete Grundstimmung auch, die damit sehr gut zusammengeht. Trapdrums und ein sanft nach vorne schiebender Four-to-the-floor-Bass legen im famosen Eröffnungsdoppel "Chicago Baby" und "Bugaboo" das Fundament für getragen-verträumte bis verstrahlt flirrende Synthies. Hunney Pimp gibt dazu die Codein-Diva aus dem Ersten Bezirk: "Sie nennen mich Chicago, Baby."

Ihr Gesangsstil klingt wie frühs um sieben nach der Party als letzte am Tresen, Zigarettenspitze im Mundwinkel, halb Marlene Dietrich, halb Haiyti. Dazu hat sie sich einen arschcoolen, staubtrockenen Flow angeeignet, in dem sie von den Junkies am Bahnhof, Skunk und Bier, Liebe und Libido rappt: "Disco im Schädel, sowas hoat er no' nicht gsehn."

In den getragenen Liebeskummer-Nummern "Britney" und "Olles In Ollem" ist die soundtechnische Nähe zum Cloud am größten, beziehungsweise überzeugt die Weiterentwicklung dieses Sounds hier nicht so stark wie in den Tracks für den 2020er-Ballroom. Klar kann man hierzu immer noch ziemlich gut high die Augen schließen, besser macht es aber "1000 Blumen", das mit langsamem Barjazz-Sample am konsequentesten Richtung Gestern schielt. Hunney Pimp als Hildegard Knef in der Trap liefert hier gesanglich am stärksten ab.

A bissl mehr nach vorne geht "Ganovin", auf dem sie den Style noch einmal leicht verschiebt: Dreigroschenoper-Swag ist wohl der Fachbegriff für diesen Wien-ist-Chicago-Representer auf einem Beat, zu dem sich auch Oldschooler in Galoschen und Fliege schmeißen können. Hunney Pimp kann auch Seeräuber-Jenny. Nochmals: Dieser leicht gelangweilte, leicht überhebliche Wiener Schmäh-Flow macht sich einfach ziemlich gut im Ohr. Der einzige Track, der so gar nicht funktionieren will, ist "Kreuz feat. Tightill". Der Beat kommt redundant daher und Tightill haut einem mit seinem Hochdeutsch einfach zu hart aus dem watteweichen Sprachflow des Albums heraus.

Aber olles in ollem führt Hunney Pimp mit "Chicago Baby" ziemlich cool vor, wie man diese ganze Cloudrap-Ästhetik-Kiste weiterdenken kann. Der Sound könnte noch zwingender sein, an ihrem Gesang kann sie noch feilen, die ruhigen Momente könnten noch stärkeres Profil bekommen. In erster Linie gewinnt Hunney Pimp hier aber ziemlich viel, nämlich eine Kunstpersona, von der man nach dem Hören das Gefühl hat, dass das erst ihre Visitenkarte war, auf die eine Vita folgen sollte.

Trackliste

  1. 1. Chicago Baby
  2. 2. Bugaboo
  3. 3. Kreuz feat. Tightill
  4. 4. Britney
  5. 5. Ganovin
  6. 6. Olles in Ollem
  7. 7. Dahi
  8. 8. 1000 Blumen

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