laut.de-Kritik
Elektrobeats, Lidschattenrock, Dramapop.
Review von Ulf KubankeGroßer Kajalpop findet sich nicht unter jedem Stein. Doch around the corner steht endlich wieder der gleichnamige Chris bereit, der Welt mit der fünften IAMX Platte ein wenig den Lidstrich nachzuziehen. Auf den Spuren der größten Pioniere Bowie, Murphy, Friday und Numan, aber nicht in ihren Fußstapfen. Denn spätestens mit dem vorliegenden "The Unified Field" nimmt der Wahlgermane lässig seinen gleichberechtigten Platz im Heldenregal ein.
Ohnehin unfähig, Durchschnitt oder gar eine schlechte Scheibe abzuliefern, setzt der Mann, der in einer stillgelegten DDR-Fabrik produziert, seinen Weg unablässig fort. Auf der Suche nach dem perfekten Popsong ist der Engländer schon oft fündig geworden. Die vielschichtige - gänzlich uneklektische - Produktion der zwölf pointierten Stücke verweist hierbei sogar den bisherigen künstlerischen Höhepunkt "Kingdom Of Welcome Addiction" auf den zweiten Platz.
Bereits mit dem perfekt gewählten Uptempo-Opener "I Come With Knives" geht eine beispiellose Ohrwurmorgie auf höchstem Niveau los. In der Tat ein präzise geführter Messerstich. Die deutsch singende Mädchenstimme unterstreicht die Britpopqualität des feschen Tracks. Engländer stehen ja auf ein bisschen Krautsalat, wenn sie es auch selten zugeben.
Stilistisch eröffnet Mr X ein reichhaltiges, mitunter geradezu opulentes Büffet. Es ist immer die ganz große Geste. Ein gefährliches Musikgewässer, auf dem schon viel Größenwahn schmählich an den Riffen hochnotpeinlichen Epigonengeleiers zerschellte! Das ästhetische Gespür des Londoners lässt diese Gefahr nicht eine Sekunde aufkommen. Egal ob Elektrobeats, Lidschattenrock oder Dramapop: Alles songdienlich und nunanciert eingesetzt.
Auch sein Charakteristikum, die herrlichen Pianotupfer, lenken jede erwünschte Stimmung gekonnt in ihre Bahn. Mal bremsend, dann beschleunigend, aber stets betörend. Zum Kontrast gibt es gelegentlich gehobelte Funkspäne. Schön eingebettet in den stets dominierenden Postpunkmantel. Ähnliches Stilmittel wie bereits Bonos Bester, Gavin Friday, auf seinem schicken Comebackalbum souverän einbaute. Ohnehin werden die Freunde des einen den anderen sicherlich auch ins Herz schließen.
In "Screams" schreit sich IAMX im Refrain angemessen pathetisch durch das Dickicht eines verdrahtenden Elektro meets Barrelhouse-Klavier Dschungels. "Walk With The Noise" glänzt mit Hymnenqualitäten, die jedes Stadion durchrütteln sollten.
Die drei dramatischen Lieder zwischen Ballade und Wave Chanson krönen die tolle LP. "Come Home" pluckert sich mit abgespecktem Gerüst, hintergründigen Streichern und angedeutetem Dreiklangmotiv direkt ins Herz des Hörers. "Animal Language" spielt zu walzerhafter Spieldosen-Ästhetik smart die Psychokarte aus und liefert dazu den passenden Gänsehautgesang. "There's a cold breeze blowing over my soul."
Als absoluten Gipfel kredenzt der Ausnahmesongwriter das "Land Of Broken Promises". Ein hypnotischer Bastard aus folkendem Saufliedkarussell und allem, was man von Brel und Walker lernen kann. "Anything you want; anything you desire!" Dem hat man nichts mehr hinzuzufügen außer der Repeat-Taste.
7 Kommentare
Sehr schön! Ich bin auch wieder sehr begeistert von dem Album, auch wenn ich den Vorgänger, den ihr nur drei Sterne gegeben habt, sogar noch einen Ticken lieber mag als das Unified Field -- trotzdem, Land of Broken Promises ist in der Tat ein Wahnsinnssong. Glücklicherweise konnte ich IAMX gleich am 20. April wieder live sehen.
Sehr schön! Ich bin auch wieder sehr begeistert von dem Album, auch wenn ich den Vorgänger, den ihr nur drei Sterne gegeben habt, sogar noch einen Ticken lieber mag als das Unified Field -- trotzdem, Land of Broken Promises ist in der Tat ein Wahnsinnssong. Glücklicherweise konnte ich IAMX gleich am 20. April wieder live sehen.
Hauptsache nochmal Muse dissen, ganz groß...
Naja, Album wurde nach erstem Reinhören für gut befunden!
Ich hab auch nichts dagegen, wenn man das Album bzw. den Stil nicht gut findet, aber es "hochnotpeinliches Epigonengeleier" zu nennen ist einfach nur polemisch und unsachlich.
Dazu sind Muse musikalisch einfach viel zu gut; welche Formulierungen bleiben denn dann noch für die ganzen wirklich billigen 08/15-Bands, wenn Muse hier mit solchen Begriffen bedacht werden...
Solides Album, fünf Sterne sind aber übertrieben, 3-4 ist realistischer. Song 1 und 2 überzeugen vollkommen, danach flacht das Album leider etwas ab. Vor allem der Mittelaltermarkt-Flair passt nicht wirklich.
Mein Album des Jahres!!!!