laut.de-Kritik

Dunkle Hymnen mit Pathos und Bowie-esker Theatralik.

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Was passiert, wenn man Astrophysik mit einem nicht gerade kleinen Töpfchen Theaterschminke vermischt? Ganz einfach: Das Produkt ist ein hervorragender Musikcocktail und nennt sich I Am X. Wie so oft bringen die scheinbaren Gegensätze einer vielschichtigen Persönlichkeit - hier: Mastermind Chris Corner - eine künstlerische Melange zu Tage, die den Hörer von der ersten Sekunde in ihren dunkel-bunten Bann zieht.

"Kingdom Of Welcome Addiction" heißt das neue Album des nie ungeschminkt auftretenden ehemaligen Astrophysikstudenten. Das Versprechen wird prompt eingelöst: Die Songs strotzen nur so vor fast königlicher Erhabenheit und machen schon beim ersten Hören süchtig. Der aus Yorkshire stammende Wahlberliner scheint die Songwriter-Formel für eigenständige, perfekte Popmusik mit Tiefgang gefunden zu haben.

Wer den Songs oberflächlich den gothischen Darkwave-Stempel aufdrückt, liegt falsch. Mit Schubladendenken wird man I Am X nicht im Mindesten gerecht. Zentrales Instrument der Kompositionen ist das Piano, der Fixpunkt, um den herum der Engländer seinen hymnischen und oft treibend-dynamischen IAMX-Sound bastelt.

Kastagnetten, Händeklatschen, eigenwillig wavige Drums, ab und an Gitarren und jede Menge Leidenschaft: Diese artikuliert sich vor allem in dem emphatisch androgynen Gesang des Ex-Sneaker Pimps-Chefs. Von samtig weich bis hin zu zerquältem Seelenstriptease zieht Corner alle Register auf der Gefühlsskala. Hierbei verströmt er eine derart leichtfüßig burleske Eleganz, eine scheinbare Mühelosigkeit, die ihresgleichen sucht.

Das Titelstück dringt als eine Art Teilzeit-Gothic-Flamenco in die Ohren und schwillt unter sanfter, gleichwohl bestimmender Führung des Pianos zu einem hymnischen Vulkanausbruch an. "My Secret Friend" ist genau die Sorte schmachtender Liebeslieder, die in einer gerechten Welt vordere Chartplatzierungen belegen würden.

Als Duett angelegt, entwickelt Chris Corner mit seiner Partnerin Imogen Heap über einem monotonen Marschrhythmus ein sehnsüchtiges Geflecht voll fordernd warmer Energie. "The Stupid, The Proud" macht dagegen deutlich, dass die ganz große Geste des Briten niemals die Kitschgrenze überschreitet.

Shakespearsche Tragik, Bowie-eske Theatralik und das offensive Pathos eines Chansonniers halten einander die Waage. Herzergreifend und hypnotisch schlängeln sich Akustikgitarre und Piano umeinander im Walzertakt. Die klagenden, aber niemals weinerlichen Vocals schreien voller Stolz alle Pein der leidenden Seele heraus.

Auch die rockigen Klopper wie "You Can Be Happy" oder "The Great Shipwreck Of Life" sind sowohl zum totalen Versinken als auch zum Joggen geeignet.

Dieses wunderbare Album legt keinerlei Schwachstellen offen. Damit ist Corner mittlerweile so etwas wie der legitime moderne Erbe der irischen Chansongothics Virgin Prunes und deren Kreativpunkt Gavin Friday und hat seine ganz eigene musikalische Ausdrucksform gefunden.

Trackliste

  1. 1. Nature Of Inviting
  2. 2. Kingdom Of Welcome Addiction
  3. 3. Tear Garden
  4. 4. My Secret Friend
  5. 5. I For An I
  6. 6. I Am Terrified
  7. 7. Think Of England
  8. 8. Stupid, The Proud
  9. 9. You Can Be Happy
  10. 10. Great Shipwreck Of Life
  11. 11. Running

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