laut.de-Kritik
Ein dreckiges Dutzend stählerner Evergreens.
Review von Ulf KubankeIron Maiden veröffentlichen ein Konzertalbum. Das allein ist noch nichts so Besonderes. Fast nach jeder Tour erfolgt nahezu automatisiert die zugehörige Livedokumentation. Trotz ihrer unschlagbaren Qualitäten on Stage kann es auch dem geneigtesten Fan mal langweilig werden, wenn er sich zum gefühlt 100 Mal "Hallowed Be Thy Name" als Livenummer anschauen soll. Zudem: Die beiden letzten relevanten Werke - "Flight 666" und "Death On The Road" -waren optisch wie akustisch nicht wesentlich mehr als typisch routinierte Maiden-Gigs ohne den rechten Gänsehautmoment.
Trotz allem: "En Vivo" ist ein metallisches Prachtstück. Genau das fehlende Teil im Eddie-Puzzle. Zehn Jahre nach ihrem ebenso reifen wie leidenschaftlichen Maßstab "Rock In Rio" hauen die nimmermüden Mittfünfziger das neueste Album "The Final Frontier" samt einem dreckigen Dutzend stählerner Evergreens auf den Tisch. Südamerika ist den Jungfrauen seit eh und je ein perfektes Pflaster. "50.000 fucking Chileans" begrüßt Dompteur Dickinson in immer noch lässiger "Screeeam for meee!"-Dominanz. Die leidenschaftliche Masse spielt strahlenden Auges und perfekt zeilensicher mit.
Auch die Technik spielt ihre Rolle hervorragend. Vor allem der Schnitt ist, besonders für Metalverhältnisse, großartig dynamisch geraten. Bildsequenzen samt verschiedener Perspektiven und Instrumente rauschen teils simultan, dabei im stetigen Wechsel wie Geschosse ins Hirn. Das Besondere: Wem dieser flutende Stil gemeinhin als hektisches Posing auf den Sack geht, wird hier versöhnt. Die meisten Abfolgen koppeln sich hier schnittweise gern an den Rhythmus der Lightshow oder an die Tonspur eines der Instrumente. Vorteil: Keine epileptische Bilderorgie, sondern die nahezu perfekte Liveatmosphäre. Man wähnt sich sogar im Heimkino fast mitten im Stadion zu Santiago. Hier haben Maiden klar die Nase vor anderen Urgesteinen des Metal. Egal ob Judas Priest, Manowar oder Saxon.
Mit der Tracklist erweisen sich die Engländer einmal mehr als Meister des Spannungsbogens. Besonders die sechs Songs des aktuellen Schwerpunktalbums geraten live deutlich lebendiger und heftiger als im Studio. Nach dem perfekt platzierten "Satelite 15" Intro klingen sogar etwas schwächere Autopilotsongs wie "The Final Frontier" oder "Eldorado" im Gig deutlich spannender als zuvor im Studio. Viel weniger wie 'nette' Outtakes von "Brave New World". Das epische "When The Wind Blows" könnte sich gar zum Live-Favoriten entwickeln.
Der Rest ist all Killer, no Filler. Das typisch britische Songwriterelement - das viel zu selten wahrgenommen wird - stellt sie ohnehin in eine alte und Genre-unabhängige Tradition. In Aufbau und Ästhetik waren sie da schon immer näher bei Vaughan Williams oderMike Oldfield guten Momenten als jede andere Metalcombo. Als erster atmosphärischer Höhepunkt glänzt dementsprechend der noch gar nicht mal so alte Klopper "Dance Of Death". Das grandiose "Blood Brothers" darf als einende Hymne natürlich nicht fehlen. Trotz all metallischen Pathos: Dickinson trägt gewohnt dick auf. Dabei ganz ohne Knallcharge oder alternder Metalclown zu sein. Trotz aller songwriterischen Fokussierung auf Harris und die Gitarreros bleibt am Ende der gute Bruce das Zünglein an der Waage.
Nicht nur aber besonders bei diesem Konzert stellt der fliegende Engländer eine Phrasierung zur Schau, die in punkto Nuancen nicht nur im Metal ihresgleichen sucht. Um so anerkennenswerter, wenn man sich vor Augen führt, dass die 'Air Raid Siren' auch im keimenden Alter nicht die geringsten technischen Effekte zum Pushen der Vocals nutzt. Kein Hall, keine Drecksoverdubs. Nichts dergleichen. Besonders bei kräftigen Parts wie jenen von von "Coming Home" oder "Fear Of The Dark" erscheint es dem Hörer fast unglaublich. Aber wahr.
Letztere Visitenkarte darf man bei eisernen Gigs gern als Messlatte für die Qualität der Show nehmen. Funktioniert der Track, ist alles im grünen Bereich. Sogar jene, die den Fearsong seit 20 Jahren rauf und runter nudeln, werden diese strotzende bis berstende Version sicherlich lieben. Sogar das Publikum hat hier musikalisch ein echtes Händchen für Timing und gibt den perfekten - nicht bierselig stumpf gegröhlten - Backing Chor.
Im letztern Zugabenblock dann die üblichen Verdächtigen "Hallowed By Thy Name", "Running Free" und natürlich das Haus und Hoflied "The Number Of The Beast". Alles dargeboten ohne die geringste energetische Abnutzungserscheinung. Die sehr gelungene schwarzbunte Optik der Lightshow erreicht zeitgleich ebenfalls ihren dramaturgischen Höhepunkt. Wer danach immer noch nicht genug hat, bekommt auf DVD 2 noch einen gehörigen Nachschlag mit maidenesken Dokus. Fazit: Egal ob Fan oder Neuling. Wer auf Heavy Metal live steht, kommt an dieser Scheibe nicht vorbei.
11 Kommentare
Mal wieder eine Maiden-Live-Album ... drölftausende Live-Version von Number of the Beast und Konsorten. Gut - ein paar neue Songs sind auch drauf. Habe keinen Platz mehr im CD-Regal für Maiden und darum schnuppe
obgleich "When The Wild Wind Blows" (live) bestimmt mördergut ist.
Ich war anfangs eher skeptisch wegen der Splitscreens und habe mich gefragt, ob Steve Harris nicht einfach nur ein neues Feature seines Schneideprogramms testen wollte. Aber von wegen:
Ich hab mir das Teil dann doch gegönnt und kann nichts anderes sagen, als dass ich von Anfang bis Ende Gänsehaut hatte. Das ist kein bloßer Konzertmitschnitt wie es "Dance of Death" war. Diesmal haben sie es echt geschafft, das Feeling eines Maiden-Konzerts in Bilder und Ton zu pressen. Und ja: "When the wild wind blows" ist live mörderisch gut. En Vivo legt die Messlatte für Live-Alben wieder ein gutes Stück nach oben.
Aber trotzdem, Anwalt: Man kann doch nicht einfach dahin behaupten, Flight 666 hätte keine Gänsehaut-Momente. Wie die Fans da abgehen, unglaublich.
Motörhead`s "guten Abend Dusseldorrf" ist auch kaum zu ertragen. Alle 1,1 sec einen Cut. Das Konzert ist aber gut.
das ist doch noch gar nix, zieht euch mal the prodigy's world's on fire rein. verursacht hochgradig augenkrebs da es nur aus stakkatoschnitten im framebereich besteht.