laut.de-Kritik

Mitreißender Auftritt des Wunderkindes mit der Überstimme.

Review von

Ein James Blake-Album zu hören, ist bisher keine einfache Sache gewesen. Die Songs des jungen Briten mit der Überstimme waren einfach ein Stück zu verschachtelt, zu unzugänglich, um sich darin zu verlieren. James Blake war ein Häppchen-Künstler, der, einzeln konsumiert, ganz große Momente beschert, aber im Ganzen etwas schwer im Magen liegt.

Um so angenehmer dürfte die Überraschung ausfallen, sobald dem Titelstück des zweiten Albums "Overgrown" ein Portishead-Beat Rückenwind gibt. Dazu kocht ab und zu ein Synthie-Akkord auf, ansonsten gibt – tatsächlich – der Rhythmus den Ton an. "I want you to know / I took you with me." Mitreißen, das kann er.

Zum einen gibt es nach wie vor seine minimalistische Seite. Stücke wie "I Am Sold" oder der sanfte Ausklang "Our Love Comes Back" sind von seinen älteren Songs kaum zu unterscheiden. "DLM" ist eines seiner klassischen Klavierwerke, die ihn zu einem Live-Liebling machen, weil sie tief unter die Haut gehen. Andererseits aber gibt sich das sogenannte Wunderkind viel rhythmischer und strukturierter. Seine Stimme gibt den Ton an, aber diesmal stricken sich um sie herum größere Konstrukte als zuvor.

"Life Round Here" bekommt beispielsweise einen R'n'B-artigen Beat, dazu drücken Synthies den Song vorwärts. Zwischendurch baut er sich zu lautem Zischen und Flirren auf, um dann zurück zur Melodie zu finden und schließlich leise zu verenden. "Digital Lion" rennt vor hektischen, verfremdeten Geräuschen davon, die keiner so recht zuordnen kann. Dazu hypnotisiert Blake mit repetitivem Gesumme und wabernden Synthies.

In "Take A Fall For Me" hält er sich selbst zurück, um Rapper RZA das Mikro zu überlassen. Dazu wummert hier und da eine Bassdrum, die Stimmen sind verzerrt – der Hip Hop-Gast gibt neuen Schwung, nette Abwechslung und frische Farbe in den sonst so flehenden Gesang.

Blake scheint sich mehr mit Freunden aus diesem Genre rumgetrieben zu haben. Er setzt mehr auf Beats, Fingersnaps und Handclaps und gibt sich deutlich weniger minimalistisch als zuvor. Die Entwicklung ist nur zu begrüßen. Es fällt auf, wie viel kurzweiliger und weniger erdrückend der Hörgenuss heute erscheint. James Blake kommt 2013 greifbarer, eingängiger und deswegen besser.

Das geht auch auf das Konto von großartigen Tracks wie "Voyeur". Upbeat, eine scheppernde Sirene, rasche Melodien, Cowbells und gegen Ende sogar eine eingängige Synthiemelodie garantieren Tanzbarkeit. Der Aufbau dorthin, ausgehend von tiefen Synthies und sanften Klavieranschlägen, machen "Voyeur" zum besten Titel des Albums. Er deckt alles ab, was "Overgrown" ausmacht.

Trackliste

  1. 1. Overgrown
  2. 2. I Am Sold
  3. 3. Life Round Here
  4. 4. Take A Fall For Me
  5. 5. Retrograde
  6. 6. DLM
  7. 7. Digital Lion
  8. 8. Voyeur
  9. 9. To The Last
  10. 10. Our Love Comes Back

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