laut.de-Kritik
Die Killer-Kollabo schlägt wieder zu.
Review von Michael Schuh"Jedes epische Ereignis, egal ob gut oder schlecht, hat seinen Nachfolger. Auf den ersten Weltkrieg folgte der zweite, auf Rudi Völler folgte Jürgen Klinsmann, auf Raider Twix und auf Live Aid Live 8. Will sagen: es gibt Neues von Jello Biafra und den Melvins." Wenn ich dieser an und für sich korrekten und launigen Ankündigung des Cargo-Labels in einer nicht unwesentlichen Sache mal widersprechen darf: Auf US-Präsident George W. Bush folgte vor rund einem Jahr George W. Bush.
Allen voran stöhnte darüber Punkrock-Chefideologe und Green Party-Mitglied Jello Biafra, der kurz vor den Präsidentschaftswahlen mit "Never Breathe What You Can't See" so etwas wie eine Wahlempfehlung veröffentlichte. Wer Biafra kennt, der weiß, dass ihn Niederlagen nur noch mehr anstacheln. Anstatt sich damit zu begnügen, Spoken Word-Alben von führenden Kritikern der US-amerikanischen Außenpolitik wie Noam Chomsky auf seinem Label zu veröffentlichen, geht er lieber wieder persönlich zu seinen Melvins-Kumpels in den Proberaum.
Das Ergebnis ist eine Art EP-Fortsetzung des letztjährigen Albums der Killer-Kollabo. Neben fünf neuen Songs sind vier bereits bekannte in einer neuen Version enthalten und wie im laut.de-Interview angekündigt hat es auch eine Liveversion des Dead Kennedys-Knallers "Kalifornia Über Alles" (live in Seattle 2004) auf die Platte geschafft, die alleine schon die Anschaffung rechtfertigt. Wer auf einer der raren diesjährigen Liveshows zugegen war, dürfte sich erinnern, wem es darin neuerdings an den Kragen geht: "I am Governor Schwarzenegger / pretty soon I'll be dictator." Stimmlich musste sich Biafra ziemlich ins Zeug legen, schließlich hatte er ein Intonationsvorbild: "As sung by the Gropenführer himself, Arnold Schwarzenegger" (Biafra). 100 Punkte.
Leise Momente bleiben auch musikalisch Fehlanzeige, sieht man mal von zwei schönen Percussion-Breaks im metallastigen Opener "Halo Of Flies" ab, der Biafras einzigartig vibrierendes Organ wieder herrlich in Szene setzt. Wie die Melvins mit langen Instrumental-Parts bleibt sich auch Jello in der Kunst der unzweideutigen Songbetitelung treu: "Those Dumb Punk Kids (Will Buy Anything)" ist eine witzige wie intelligente Punk-Zustandsbeschreibung des Jahres 2005, die in erster Linie Biafras Ex-Kameraden an den Karren fährt, die bis heute unter dem Namen Dead Kennedys auf Tour gehen und dem Sänger Tantiemen streitig machen.
Gleichzeitig ist der Song ein Aufruf an alle, sich von niemandem etwas vorschreiben zu lassen, ohnehin ein Hauptanliegen Biafras. In diese Kerbe schlägt auch das intensive "Lessons In What Not To Become" mit mächtiger Mittelfinger-Attitüde gegenüber jeglichen autoritären Obrigkeiten. Hartgesottene dürfen schließlich noch den hämmernden Dälek-Remix von "Dawn Of The Locusts" austesten, während Ministry-Mann Al Jourgensen bei seiner Version von "Enchanted Thoughtfist" beinahe zurückhaltend agiert. Sieg Howdy!