laut.de-Kritik
Push The Button!
Review von Sven KabelitzRunter mit den Klamotten. Jim Button will euch alle nackend sehen. "In my dreams everybody's naked / Everybody's naked, no one has to hide / … / And they can speak what's on their minds", singt sie in "Naked". Im Mittelpunkt dieses Wunsches steht jedoch nicht die Erotik, sondern das Interesse und die Akzeptanz für den unfertigen Menschen. Liebe und Normalität in Zeiten der Selbstoptimierung stellen das Mantra ihres Debüts "Undone" dar. Die Fehler, die Makel, das Unperfekte, das uns erst zu wirklichen Individuen formt.
Ihr fragilen Beobachtungen wickelt die Künstlerin mit dem Michael Ende-Namen in anschmiegsamen Schmusedecken-Sound. Ihr gelingt das Kunststück, ihre Musik zwischen Dido, The XX und Katy Perry anzusiedeln. Kuschel-Pop, für den man sich nicht zu schämen braucht.
Bei ihrem Unterfangen unterstützen sie die Produzenten Melbeatz, John Gordon (Lenas "Satellite"), Si Hulbert (Ed Sheeran, One Direction) und Philipp Schwär. Gerade Letztgenannter, der auf Milliardens "Betrüger" noch so deplatziert wirkte, funktioniert in der halb elektronischen, halb akustischen Umgebung deutlich wirkungsvoller.
Buttons Stimme flüstert vertrauensvoll wie der beste Freund, zärtlich und sehnsuchtsvoll wie die frisch aufblühende Liebe. "I just need a little time to breathe / Come on would you sit and breathe with me / Darkness doesn't feel so all alone / Sleeping with my head beside the phone." ("The Voice"). Ihr Können drängt sie dir nicht auf, sondern sie lässt es dich in kurzen Sequenzen wie der Bridge in "Human" selbst entdecken.
Wie an einem muckeligen "Sunday Morning", die Decke noch halb über das Gesicht gezogen, öffnet "Undone" erst langsam seine Augen. Kein Paukenschlag, sondern das fast im Stillstand glitzernde "Cold Water" steht am Beginn. Ein reduzierter, verträumter Start in Slow-Motion, voll funkelnder Synthesizer. Trotz des ruhigen Ansatzes verliert sich Frau Knopf nicht im Introvertierten, sondern bleibt durchgehend ungemein catchy. Nie überladen folgt eine zuckersüße Melodie der nächsten. Selbst der Auto-Tune-Einsatz in "Keep Calm And Carry On" nervt nicht, sondern wirkt wohl platziert. "We all hurt, we all fight / We all kiss and we're not right / We get lost on the search for something better / We're all weak, we're all drunk / We're all drowning in our junk / We're all human and that's how it'll be forever."
Einzig "The Big Breakthrough" und "I'm Into You" verlassen den Downtempo-Bereich. Erstgenanntes erst zögerlich. Zweigleisig funktioniert es als Kritik am Musikbusiness, in dem Manager mehr auf Aussehen und Gewicht achten, wie auch als eine Geschichte des Selbstzweifels. "I'm Into You", der Hit des Longplayers, erklimmt den Gipfel des Pop-Kilimandscharo und ruft von dort seinen weltumarmenden Refrain herab. Der versöhnliche Song, der alle Probleme unserer Welt lösen kann. Wer in diesen vier Minuten keine Lust verspürt, die gesamte Menschheit zu herzen, zu knuddeln und zu knutschen, wählt auch AfD. Ich will das Ding als Single sehen!
Jim Buttons Debüt "Undone" ist kein Album, sondern ein Vertrauter, ein Buddy und best friend forever. Verständnisvoll legt es einen Arm um deine Schulter, knufft dir kumpelhaft in die Seite und sagt dir: "Mensch, ich verstehe dich!" World, the time has come to push the button!
1 Kommentar
An manchen Stellen bisschen cheesy (Melodien), aber grundsätzlich ein tolles Pop-Album. "Keep Calm And Carry On" ist ein ziemlicher Ohrwurm und "The Big Breakthrough" gefällt mir am besten.