laut.de-Kritik
Endlich. Ein legitimer Nachfolger für Ray Charles.
Review von Alexander Engelen2004 war das Jahr des Ray Charles. Grammys en masse, und ganz Hollywood begeistert von seinem Leben und die Kinowelt entzückt von der Filmbiographie. Natürlich hatte der Erfolg einen bitteren Beigeschmack, denn der Meister verstarb am 10. Juni 2004. Für die legitime Nachfolge schickt Hip Hop-Produzent Kanye West nun seinen Schützling John Legend ins Rennen.
Legend stellte bereits bei diversen Gastauftritten unter Beweis, dass ihm musikalisch Wenige etwas vormachen können. Mit Produktionen für die Black Eyed Peas, Texten für Janet Jackson und gesanglicher Unterstützung für Alicia Keys hat sich der als John Stephens geborene Musiker bereits einen Namen gemacht. Letztlich war er auch an fast jeder Kanye West-Produktion irgendwie beteiligt und darf nun als erster Repräsentant des West'schen Labels GOOD Music die Herzen der Zuhörer erobern.
Dabei hilft ihm fulminant der Track "Used To Love You". Kanyes Handschrift ist zwar klar zu erkennen. Doch was mit Kwelis "Get By" oder Dilated Peoples' "This Way" auf einer musikalischen Stufe steht, liegt jenseits jeder Durchschnittlichkeit. Auch hier hypnotisieren der springende Bass, die lässigen Drums und das harmonische Piano. Die Gesangsleistung von Legend verleiht dem Song darüber hinaus eine bewundernswerte Eigenheit. Doch das Album lebt nicht nur von dieser Single. "Get Lifted" begeistert abwechslungsreich mit langsamen und schnellen, traurigen und fröhlichen, modernen und traditionellen Stücken.
Stets haben die Beiträge zwar einen unterschiedlich musikalischen Beigeschmack, John Legends Identität bleibt aber immer erkennbar. Erst gehts in Richtung Pop ("She Don't Have To Know", "I Can Change"), dann in die heimische Kirche zur Gospelmesse mit der Familie ("It Don't Have To Change"), schließlich wartet das Himmelreich mit Harfen, Engelschören und der betörenden Violine von Labelkollegin Miri Ben-Ari ("Live It Up") auf. Die schlichte Schönheit von "Ordinary People" gräbt sich durch den Gehörgang direkt ins Harmoniezentrum. Legend und sein Piano erreichen hier eine poetische Tiefe, die zu Tränen rührt.
Vielleicht bleibt Legends Stimme beim Vergleich mit einer wahren Legende wie Ray Charles auf der Strecke - so fehlt ihm teilweise in den Höhen das Volumen. Aber musikalisch tritt er in jene Fußstapfen, die Jahrzehnte zuvor Charles, Stevie Wonder und Marvin Gaye gesetzt haben.
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