laut.de-Kritik
Der "She's A Maneater"-Komponist huldigt Soul und Delta-Blues.
Review von Philipp Kause"She's A Maneater" von 1982 ist einer der wenigen 'besten Hits der 80er', die aus dem Schema-Synthpop ihrer Zeit ausscheren und sich trotzdem als Klassiker durchsetzten. John Oates hatte damals als Mitstreiter Daryl Hall und dessen Freundin Sara Allen im Boot. An den Song hatten sie, so Hall im NME, damals einen hohen Anspruch: "'Maneater' ist nicht wie alles, was man sonst im Radio hört. Die Idee war, alles besser zu machen."
Das Duo, das sich und Soulmusik beim Studium in Philadelphia kennengelernt hatte, schoss auf die Eins der US-Charts. John Oates hatte aber ursprünglich ein Reggae-Lied komponiert, das auf Soul umgeschneidert wurde. Jetzt führt der der gerade 75 gewordene Oates, der zurzeit gelegentlich als Support von Beth Hart tourt, seine alte Idee aus.
Die EP "Pushin' A Rock" ist eines dieser digitalen Mini-Alben, die man heutzutage macht, um zwischen echten Longplayern und während Tourpausen im Gedächtnis zu bleiben. Nach einer folkig knarzenden CD mit Country-, Blues- und überwiegend Bluegrass-Bausteinen, nach einigen Live-Alben und zahlreichen Remasters alter Hall & Oates-LPs in den vergangenen Monaten und Jahren kehrt der Soul-Sopran-Sänger und Fender-Gitarrist zu seinen Wurzeln zurück.
Neben der starken Summer Vibe-"Maneater (Reggae Version)" in XL-Entspanntheit mit sieben Minuten angejazztem Karibik-Flair knüpft sich Oates weitere bekannte Songs vor. Die Wahl von "What A Wonderful World", ein Hit für Louis Armstrong, fußt in seiner frühen Sozialisation mit Swing. John schält eine lässige Popnummer aus dem Trompeten-Classic. Hauptinstrument bleibt die Gitarre, die er im Stil Jonathan Butlers zupft. Kein Quantensprung, aber fein gemacht.
Für die Northern Soul-Avancen des vielfachen Hitmakers ("Private Eyes", "You're Out Of Touch", "Did It In A Minute", "Sara Smile", "Adult Education", "Because Your Kiss Is On My List", "Promise Ain't Enough", "I Can't Go For That") scheint hingegen ein Cover geeignet: der Schlusssong des Sade-Debüts, "Why Can't We Live Together". Das Antikriegs-Lied, das man auf auch als einen Romeo- und Julia-Song wahrnehmen könnte, stammt aus der Feder des Jazz-Keyboarders Timmy Thomas. Gerade das Keyboard-Intro in Kombination mit Oates charakteristischem Falsett versetzt stimmungsmäßig sofort in die Hit-Ära von Hall & Oates zurück. Während Sade das Intro eine Minute lang schweigend spielen, fängt Oates sofort an zu singen, führt aber trotzdem sensibel und anmutig mit viel Saft in der Stimme in den Song hinein und trällert den Text dann in vielen verschiedenen Tonlagen von Hoffnung bis Verzweiflung.
"Disconnected" ist ein guter, neuer Oates-Song nach altem Muster. Er grübelt über die Vergangenheit nach, Lebenserinnerungen, verflossene Lieben, und singt über schlechte Liebeslieder. Damals, zwischen Mitte der Siebziger und Mitte der Achtziger, wäre der Song gewiss ein Bomben-Hit geworden. Uplifting wirkt Johns verständnisvoller 'Ich-bin-dein-treuer-Begleiter'-Gesang auch heute noch.
Ins gleiche Horn bläst der Titelsong "Pushin' A Rock". Oates schöpft dabei aus Erlebnissen, die ihm während seiner ehrenamtlichen Arbeit für die Organisation Movember widerfuhren. Die NGO thematisiert Männergesundheit, etwa Hoden- und Prostatakrebs sowie Suizidgedanken, und kümmert sich neben dem Spendensammeln um Gesundheitsprävention und -information.
"Pushin' A Rock" lenkt den Blick auf die Momente im Leben, wenn sich alles wie Sisyphus-Arbeit anfühlt. Oates appelliert daran, im täglichen Struggle nicht aufzugeben. Das Lied, das ihm schon 2014 einfiel, verdichtete sich im Laufe der nicht enden wollenden Pandemie immer mehr in seinem Kopf, 2022 war es schließlich fertig.
Obwohl Oates anders als sein Kollege Daryl Hall nicht in Classic Rock-Gefilde abbog, wurde ihm auch in Deutschland besagte Ehre zuteil, für Bluesrock-Ikone Beth Hart einzuheizen - und zwar rein akustisch. Wie sehr die beiden der Delta Blues verbindet, hört man John besonders in "Too Late To Break Your Fall" an, wenn Orgel, stimmliche Ausdruckskraft und Rhythmik ein rundes feines Ganzes ergeben.
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