laut.de-Kritik
Punk-Party mit Psychobilly und Country-Stetson.
Review von Artur SchulzDas Cover stimmt traurig und mutlos: zwei weinende Mädchen wenden sich von als Staatsmacht zu interpretierenden Uniformträgern ab, die das Schild "Dance Embargo" vor sich halten. Doch keine Chance für die allgegenwärtige Musikpolizei, wenn Johnny Rocket die Szene betreten. Gitarre in Angriffsstellung, Feuer unterm Schlagzeug - unbeirrt und mit reichlich Dampf unterm Kessel kämpfen die Jungs aus dem Ruhrpott tapfer für das Menschenrecht auf Spaß und Party.
Punk meets Rockabilly, das ergibt in den richtigen Händen eine mitreißende, energetische Mixtur. Die Ausstattung der Band benutzt handelsübliche Instrumentierungen, keine Spur von überproduzierten Sound-Gimmicks. Hier geht es trocken und herzhaft zur Sache, Heavy Rock-Einschübe finden dabei ebenso gleichberechtigt Einlass wie Blues-Elemente.
Nicht nur aufgrund des Titels krakeelt "Fuck The Scene" kräftig erkennbar aus der nimmermüden Punk-Ecke. "Care About You" tanzt stilistisch sehr deutlich auf dem, wie seit Jahrzehnten immer höchst angenehm untoten, Rockabilly-Friedhof. Balladen-Pausen? Doch nicht bei Johnny Rocket. "Kiss Kiss Bang Bang" hält den Anspruch in Sachen Tempo weiter auf einem hohen, schwitzigen Level.
Bei den Rockets gibts kein Rauchverbot, Bier wird in ausschließlich in großen Bechern ausgeschenkt. Dank seiner positiven Schlichtheit, gepaart mit weit mehr als solidem Handwerk, hebt sich das Album qualitativ angenehm über den Durchschnitt vergleichbarer Produktionen.
"Hey Mister" wandelt humorvoll auf traditionellen Country-Pfaden. Die Band erlaubt sich bewusst den Spaß, eine brav-klassische Schiene mitsamt allen Klischees und rühriger Mundharmonika zu fahren. Dank weiblicher Gesangs-Begleitung wirkt das wie Lucky Luke meets Texas Lightning. Nur die Gitarren im Hintergrund mucken gelegentlich auf aus dem sehr heilen Weltbild. So ganz nebenbei beweisen Johnny Rocket nicht nur mit dieser Nummer, über welche Songwriter-Fähigkeiten sie verfügen.
Ähnlich verhält es sich später mit "I Wrote Your Letter", dessen kampferprobtes Cowboy-Outfit einen mit Einschusslöchern versehenen Stetson aufweist. "You Never Now" jagt eine freundschaftliche Breitseite an die Stray Cats.
Auf "Today Is The Day" geben Johnny Rocket zum Abschluss noch mal alles: rüder, rauher Gesang, Pogo-Getrommel, Rockabilly-Anstrich. Punkabilly? Psychobilly? Die Rockets machen einem die eindeutige Genre-Zuordnung nicht gerade leicht. Und das ist neben all dem gekonnten Handwerk samt hörbaren Spaß an der Sache fraglos ein weiteres Plus.
1 Kommentar
Wie kommt man nur darauf, Johnny Rocket sei aus dem Ruhrgebiet? Die Jungs sind in der Region Ravensburg/Bodensee beheimatet.