laut.de-Kritik
Nach 40 Jahren clean: Go Johnny go!
Review von Giuliano BenassiDas Durchhaltevermögen des schmächtigen Blondschopfs ist sensationell. "Zum ersten Mal seit 40 Jahren ist Johnny clean", kündigte sein Manager Paul Nelson im Januar 2011 in einem Blog an. Er habe nach und nach die Methadonmenge, die er seinem Zögling verabreichte, verringert, ohne es ihm zu sagen. "Johnny war außer sich vor Freude."
Ein guter Anlass also, um mal wieder ins Studio zu gehen, nachdem die Aufnahmeaktivitäten Winters im neuen Jahrtausend ziemlich mau blieben. Dabei ging er den einfachen Weg: Er hat in Begleitung jeder Menge alter Weggefährten Coverversionen bekannter Blues-Stücke aufgenommen.
Der Opener aus der Feder T-Bone Walkers zeigt, dass Winter den Biss nicht verloren hat. Nach wie vor holt er Töne und Tonleitern aus seiner Gitarre, dass es beim Zuhören eine einzige Freude ist. Gut unterstützt von Vito Liuzzi (Schlagzeug), Scott Spray (Bass) und jenem Paul Nelson, der ihn nicht nur von den Drogen wegholte, sondern hier auch Gitarre spielt und produziert.
Kaum zu glauben, dass Winter nur noch aus Haut und Knochen zu bestehen scheint – eher ein Spatz als ein ganz Großer des Genres. Von Gebrechlichkeit ist hier nichts zu hören. Seine Stimme ist nicht mehr die kräftigste, aber immer noch erstaunlich melodisch.
Aus dem Shuffle zu Beginn entwickelt sich dank Sonny Landreths Gitarre eine ordentliche Stomp-Nummer. Ob Elmore James' "Done Somebody Wrong" (mit Warren Haynes), Robert Johnsons "Dust My Broom" (mit Derek Trucks) oder Muddy Waters' "Got My Mojo Workin'" (mit cooler Mundharmonika) – die alten Meister können stolz auf ihren ebenfalls nicht mehr ganz jungen Verehrer aus Texas sein. Selbst Johnnys Bruder Edgar gibt sich die Ehre und packt sein Saxophon in "Honky Tonk" aus, dem einzigen Instrumental.
"Roots" ist ein energiegeladenes Album, das hoffentlich nicht den Endpunkt einer Karriere mit vielen Höhen und Tiefen, sondern einen Neuanfang darstellt. Um einen Song zu zitieren, der auch noch ganz gut reingepasst hätte: Go Johnny go - Johnny be good.
Noch keine Kommentare