laut.de-Kritik
Der Texaner war bis zum Schluss ein Großer.
Review von Giuliano BenassiSo schmächtig der Musiker, so mitreißend seine Musik. Legendär seine helle Haut und das schon in jungen Jahren schlohweiße, lange Haar. Und ein Gitarrenspiel, das lange mehr Legende als Realität schien, bis Manager Paul Nelson sich des gebürtigen Texaners annahm, ihn nach kaum fassbaren 40 Jahren von seiner Heroin- und Methadonsucht befreite und versuchte, mit neuen Alben und Europa-Touren die Legende auch diesseits des Atlantiks wieder mit Leben zu füllen.
"Wegen seiner Sucht war Johnny Jahre lang weg vom Fenster, während viele andere auf den Retrozug aufgestiegen sind und einen Platz in der Geschichte ergattert haben. Wir haben versucht, den Zug noch zu erreichen", erklärt Nelson. Mit "Roots" gelang ihnen 2011 zumindest der Einstieg ins Taxi zum Bahnhof. Aus Texas nichts Neues, aber ein solides Blues-Album mit einigen Gästen, unter ihnen Warren Haynes, Derek Trucks und Johnnys Bruder Edgar. Und der Beweis, dass er immer noch toll singen und Gitarre spielen konnte.
Den Sprint zum Gleis sollte nun das vorliegende Album darstellen. Wieder fast nur aus Coverversionen bestehend, diesmal aber mit noch bekannteren Namen. Vom Opener "Unchain My Heart" mal abgesehen, der seit der Interpretation Joe Cockers zu abgedroschen klingt, geht es auch diesmal mit Spielfreude zur Sache. Eric Clapton begleitet Winter auf Bobby Blands "Don't Want No Woman", Ben Harper zuvor auf Willie Dixons "Can't Hold Out (Talk To Me Baby)". Mit dabei sind unter anderen auch Dr. John (Fats Dominos "Blue Monday), Aerosmiths Joe Perry (Lightnin' Hopkins' "Mojo Hand") und Joe Bonamassa (Chuck Berrys "Sweet Sixteen").
Heraus sticht Winters einzige neue Komposition "Where Can You Be", zu der Billy Gibbons nach einem Auftritt seiner ZZ Top in Manchester schnell eine Spur aufnahm. Außerordentlich auch Son Houses "Death Letter", das Winter flink auf der akustischen Gitarre interpretiert. Okay klingt auch das Instrumental "Okie Dokie Stomp" mit Brian Setzer.
Die Tracks seien alle in einem Take aufgenommen worden, versichert Nelson, der selbst bei Howlin' Wolfs grandiosem "Killing Floor" die Gitarre in die Hand genommen und ansonsten produziert hat. "Er hat die Tracks einfach ver-wintert. Sobald er anfing zu singen, war es wie ein eigener Song."
Winter habe sich sehr gewünscht, einen Grammy zu gewinnen und in die Rock'n'Roll Hall of Fame aufgenommen zu werden, so Nelson. Die Chancen hätten nach diesem Album sicherlich nicht schlecht gestanden, doch leider starb Winter im Juli 2014 kurz nach der Fertigstellung in einem Zürcher Hotelzimmer.
Immerhin tat er gerade das, was er sein Leben lang getan hatte - touren. Und er hat sich mit einem Album verabschiedet, für das er sich nicht schämen muss, was im Alter von 70 Jahren nicht allen gelingt. Fest steht: Johnny Winter war bis zum Schluss ein Großer.
Noch keine Kommentare