laut.de-Kritik

Die schwedische Heulsuse trumpft auf.

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Polyphonie als Stilmittel wird überschätzt. Und Lautstärke ja sowieso. Das gilt nicht nur für gereifte Punkhelden oder Rock'n'Roller, auch aufstrebende Singer/Songwriter bedienen sich der leisen Töne. Mit etwas Glück lassen ein paar Kreative auch noch die Bälle hüpfen und ein neuer Fernseher macht den Mann mit der Gitarre quasi über Nacht berühmt.

Zugegeben, so etwas passiert nicht oft, aber umgekehrt begegnet man in den Plattenregalen auch selten Musikern wie José González. Auf seinem Debüt "Veneer" spielte er noch die Heulsuse. Liebe hier, Herz dort, die Gitarre umgeschnallt und ab durch die Mitte. Bei "Heartbeat" - im Original von den Indietronicern The Knife - handelt es sich ohne Zweifel um das herausragende Lied des Albums. Doch es wäre ein Fehler, den Schweden allein auf seine Fähigkeiten zu beschränken, massenkompatible Coverversionen zu spielen.

Auf "In Our Nature", dem zweiten Langspieler, befindet sich eine großartige "Teardrop"-Version, die in Sachen Intensität der Massive Attackschen Urfassung in nichts nachsteht. Allerdings ist es nur ein Höhepunkt von mehreren. Gleich zu Beginn mahnt González in "How Low" eindringlich die Konsequenzen aus Egoismus und Rücksichtslosigkeit an.

Dabei verzichtet er auf den drohenden Zeigefinger und weist mit diesem stattdessen in die zu befürchtende Richtung ("Invasion after Invasion, this means war"). Krieg verzehrt auch diejenigen, die nicht genug bekommen. Für das düstere Szenario genügen - wie auch bei den meisten folgenden Songs - nur weniger Worte und Akkorde. Wir nennen es Minimalismus.

In "Down The Line" wirkt der Musiker etwas weniger bestimmt, auch wenn er von Problemen und Dunkelheit singt. Danach taucht erstmals die Liebe als Thema auf, allerdings ohne die Welt in rosaroten Farben zu zeichnen. "Killing For Love" stellt die teils fatale Blindheit aus Liebe in Frage. Eine beliebige britsche Band mit Gitarre, Schlagzeug, Gesang und Bass hätte das Thema wohl in einen schmissigen Tanzflurkracher gepackt, José González begnügt sich mit Gitarre und darf sich der mitwippenden Zuhörer sicher sein.

Die Spannung lässt auch bei "In Our Nature" nicht nach. Allerdings hellt hier die durchweg finstere Atmosphäre wenigstens etwas auf. Survival of the fittest hin oder her, in der Natur sind Kriege nicht vorgesehen. Die Menschen sollten sich daher etwas weniger dämlich anstellen: "Put down your sword. Send home your dogs. Open up your doors. Let down your guard. It's in our nature". Mehr Optimismus geht nicht. Auf diese Zeilen folgt das hypnotische "Teardrop" und die Gänsehaut kommt vor lauter stehender Ovation nicht zur Ruhe.

Mit dem Entschleuniger "Abram" läutet der Schwede den zweiten, ruhigeren Teil des Albums ein. "Time To Send Someone Away" benetzt gegen Ende das Gesicht mit wohlig warmem "summer rain", der gemütlich dahinplätschert, ähnlich dem insgesamt sehr flüssigen Höreindruck. "The Nest" beleuchtet mit leicht klaustrophobischen Zügen den Nestbau.

Von geschlossenen Räumen à la Blumfeld ("Jeder geschlossene Raum ist ein Sarg") kann zwar nicht die Rede sein, allerdings schottet auch ein Nest von der Außenwelt ab und erzeugt bei manchen Menschen offenbar ein beklemmendes Gefühl. "Please don't let me down this time", fleht ein zerbrechlich klingender José González in "Fold".

Im letzten Lied der Platte, mit Abstand das längste, begibt sich der eigentliche Minimalist etwas ausufernder zurück auf den Boden der Tatsachen und betreibt "Cycling Trivialities". Nach dem mehrfach ausgezeichneten Gesellenstück "Veneer" gelingt dem Schweden mit "In Our Nature" nun ein Meisterwerk. Zwar hält es mit ein paar Tricks die Boxen nur etwa 33 Minuten in Bewegung, hallt aber um so länger nach.

Trackliste

  1. 1. How Low
  2. 2. Down The Line
  3. 3. Killing For Love
  4. 4. In Our Nature
  5. 5. Terardrop
  6. 6. Abram
  7. 7. Time To Send Someone Away
  8. 8. The Nest
  9. 9. Fold
  10. 10. Cycling Trivialities

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