laut.de-Kritik
Vollendet konstruierte Songs für eine makellose Stimme.
Review von Sven KabelitzDie Porträtfotografie nimmt in den letzten Jahren zunehmend seltsame Züge an. Dank Photoshop hat die Kunstfigur, die wir am Ende zu sehen bekommen, kaum noch etwas mit dem Menschen vor der Linse gemein. Jede Geschichte, jede Falte, jedes Charisma wird aus den Bildern herausgefiltert, bis ein weichgezeichnetes Werbeprodukt bleibt. Jospehines Debüt "Portrait" ergeht es beinahe ebenso. Beinahe.
Die Produktion ihres ersten Longplayer gerät der Sängerin ein wenig zu blumig und steril. Ihre nostalgische Musik, eine Mischung aus Folk, Soul, Gospel, Jazz, westafrikanischen Klängen und intelligentem Pop, nistet sich in lichtdurchfluteten Fluren ein.
Ihre Stimme passt sich perfekt an, bleibt im ersten Moment nicht leicht zu fassen. Weder der tiefschwarze Soul einer Sharon Jones noch die schrecklich quakende Duffy: Josephine wandelt in der Grauzone der Klischees von schwarzen und weißen Sängerinnen.
Dort landet sie neben einer Musikerin, die seit Jahrzehnten in diesem abgelegenen Winkel an ihrem Gesang feilt, und zu der sich nicht erst auf dem zweiten Blick einige Parallelen ziehen lassen: Annie Lennox, wohl eine der bemerkenswertesten Sängerinnen unserer Zeit, die ihre Fähigkeiten aber leider nur selten auf ein Album gepackt bekommt.
Besonders deutlich wird die Ähnlichkeit im Titeltrack "Portrait": Die Mischung aus Folk und schunkelndem Soul hätte sich wunderbar auf dem letzten Eurythmics-Album "Peace" gemacht, gleich neben "I Saved The World Today". Nicht für den jungen Springinsfeld geeignet, schon eher an die alternde Seele gewandt, stellt Josephine geschickt die Frage, inwieweit uns unser Umfeld und unsere Geschichte prägen. "Am I a portrait of the person I'm supposed to be? / And how would I know?"
Das simple aber reizvolle "What A Day" verbreitet Amy Macdonalds radiotauglichen Folk-Pop-Vibe über den "Break On Through"-Akkorden der Doors. "A Freak A", dessen Titel sich auch als Afrika lesen lässt, bekommt trotz seiner schlageresquen Amigos-Gitarren noch die Kurve. Entwaffnende Harmonien führen zum gospelartigen Refrain. "If you have a mask / Get it out / And put it on / A freak A I'm someone."
Erst in der zweiten Hälfte erhält der sonnige Sound einige schattige Facetten, die ihm auffallend gut zu Gesicht stehen. Der verführerische Jazz von "I Think It Was Love" zeigt uns den Weg zu einem dunkleren, verrauchten Ort. Leise klimpert im Hintergrund ein Xylophon wie die Eiswürfel in einem Whiskeyglas.
Noch einmal blinkt in "Pepper Shaker" Amy Macdonald auf, findet aber in westafrikanischen Rhythmen und scharf angeschlagenen Gitarren einen interessanten Gegenpart. Das zwielichtige "Pray That I Move" verbindet über schleppendem Beat stark verzerrte E-Gitarren mit heimeligem Banjo. Zeitlos endet "Portrait" mit dem zärtlichen Piano-Walzer "House Of Mirrors". "This House of Mirrors is bending the truth oh so well / I'm making a fool of myself / Last time I laughed / I was laughing at you / Cos the mirrors they always do as we do."
Selbst beim ersten Durchlauf wirkt "Portrait" nostalgisch und melancholisch. Jeder einzelne Song entpuppt sich als detailverliebt und vollendet konstruiert. In ihrer Gesamtheit bilden sie ein eigenes feingliedriges Bühnenstück. Ein erwachsenes Lustspiel, dessen überperfekte Produktion letztendlich nur einem einzigen Zweck dient: Trotz aller Spielereien auf "Portrait" bleibt der Fokus immer klar auf der Hauptdarstellerin, auf Josephines makelloser Stimme.
2 Kommentare
What a day ist mal ein richtiger Knaller. Das Album wird mal angehört, die Rezi macht Lust auf mehr.
Josephine Mutzenbacher?