laut.de-Kritik

Eher erwachsen ungefährlich als enthemmt zwanglos.

Review von

Irgendwie passt sie nicht in die von Major-Labels betriebene Popwelt, diese Joss Stone. Acht Jahre ist die mittlerweile 24-Jährige schon im Geschäft, vier Studioalben hat sie in dieser Zeit veröffentlicht. Vor jedem war die Rede von einem Mehr an Freiheit, einem Mehr an künstlerischem Ausdruck – und unter dem Strich stand zumeist ein Mehr an verkauften Einheiten, aber selten eine vollends zufriedene Joss Stone.

EMI hat einen schönen Reibach gemacht mit dem Naturtalent aus dem Süden des englischen Eilands, dabei aber die Künstlerin vergessen. Nach schier endlosen Querelen vor "Colour Me Free!" warf Joss Stone hin. "Keiner kann mir vorschreiben, wie ich Musik machen soll", schimpfte sie und gründete ihr eigenes Label Stone'd Records.

Somit sind aller guten Dinge fünf, denn mehr Freiheit und künstlerischer Ausdruck als bei der passend betitelten "LP1" nach EMI ist eigentlich nicht denkbar. Um die neu gewonnene Freizügigkeit gebührend zu feiern, ging Joss Stone auf Reisen. Genauer: Sie folgte Dave Stewarts Ruf. Der Mitbegründer der Eurythmics, der schon Mick Jagger und Bob Dylan produzierte, lud nach Nashville, Tennessee.

Wer nun aber ein ausuferndes Epos zelebrierter Selbstverwirklichung erwartet, sieht sich nach knapp 40 Minuten getäuscht. Dann nämlich endet die ruhige und routinierte Mischung aus Rock, Blues, Pop und Soul. So solide klingt die absolute künstlerische Freiheit also. Man sollte meinen, enthemmte Zwanglosigkeit sei etwas aufregender.

"LP1" ist glatt geraten, irgendwie erwachsen, aber auf die trockene Art, die kaum mehr Spielraum für das Kindliche und Unausgegorene lässt. Einzig "Landlord" bricht mit einer einfachen Gitarre als Begleitung zumindest beinahe aus dem sauber durchproduzierten Fluss aus, den Stone, Stewart und ein paar Musiker in schlappen sechs Tagen auf Platte pressten. Von einem speziellen Moment voller Spontaneität und Kreativität spricht Joss Stone hinterher. Nur beim Hörer kommt diese Offenbarung nicht rüber.

Das liegt aber weniger an der Sängerin als am fehlenden Druck und den mangelnden Kanten der musikalischen Untermalung. Stone brüllt und zirpt wie gewohnt auf einem Niveau, das gewollt oder ungewollt in Ekstase versetzt. Die Britin bestimmt das Geschehen. In "Karma" treibt sie ein funky Beatgerüst vor sich her, in "Last To Know" spaziert sie knapp am Rande des Ausbruchs, den sie dem gespannten Hörer erst nach mehr als zwei Minuten gönnt. Ein solche treibende, dichte und spannungsgeladene Begleitung hätte auch dem Rest der Platte gut zu Gesicht gestanden.

Diese Frau schaltet mit ihrem göttlichen Organ so soverän wie keine andere von Reibeisen-Soul auf Engelsharfen-Pop um. Eine solche Gabe braucht wenigstens Groove, am besten gepaart mit spontanen Wendungen, Überraschungen und Unwägbarkeiten. Keine klar strukturierten Kompositionen, die zwar gefällig, aber mindestens genau so ungefährlich sind. Denn in diese Form der Popwelt, die mit allzu harmlosen Auswüchsen, passt sie in der Tat nicht, diese Joss Stone.

Trackliste

  1. 1. Newborn
  2. 2. Karma
  3. 3. Don't Start Lying To Me Now
  4. 4. Last One To Know
  5. 5. Drive All Night
  6. 6. Cry Myself To Sleep
  7. 7. Somehow
  8. 8. Landlord
  9. 9. Boat Yard
  10. 10. Take Good Care

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10 Kommentare

  • Vor 13 Jahren

    Irgendwie fehlt mir die Alte Joss, auf dem Album findet man zu viel Pop und zu wenig guten Soul.
    Trotzdem gutes Album!
    Bis auf das etwas zu poppige 'Newborn' sind wirklich alle Songs super.

  • Vor 13 Jahren

    Also irgendwie....

    Die ganzen Soul-Schinken von ihr finde ich nicht unbedingt spannend. Klar, super Stimme aber auch 0 Steigerung in ihren souligen Songs, am Ende dann halt Gekreische....toll.

    Album 1 war so ein Fall - mir zu öde. Album 2 - toll. Album 3 - ganz gut. Album 4 ging dann wieder zurück zu Album 1, war aber noch okay.

    Album 5 ist die Akustik-Version der vergangenen Alben. Mehr als Gitarre und mal Schlagzeug gab es nicht. Es gefällt mir besser als der Vorgänger, aber glatt produziert??? Finde ich nun nicht. Nach der Review hätte ich eher mit dem Sound des 3. Albums gerechnet, DAS war poppig und ziemlich glatt.

    Ich gebe auch 3/5, ein bisschen enttäuscht bin ich leider. Die Songs dümpeln teilweise etwas vor sich hin. Warum nicht gleich so wie in ,,Boat Yard''? Das ist wieder sehr genial.

  • Vor 13 Jahren

    Bisher beschränkt sich ihre Emanzipation leider ausschliesslich auf hässliche Album-Cover.

  • Vor 13 Jahren

    Album 2 war doch viel kommerzieller und mehr am Mainstream produziert.

    Beim Songwriting kann man natürlich sagen: Stimmt, null weiterentwickelt. Aber der Sound? Bei LP1 ist der Großteil Akustikgitarre + Schlagzeug, das hatte man so bisher nicht. Klingt alles handgemachter, imo noch mehr als beim Colour me Free-Album. Ob man das jetzt als Weiterentwicklung sieht, ka., aber es tönt definitiv anders.

    Mittlerweile würde ich doch eher zur 2,5 tendieren. Sie weckt bei mir einfach null Emotionen, egal wie sehr sie sich bemüht. Einzig New Born und Boat Yard stechen aus dem Einheitsbrei heraus. Karma finde ich belanglos und gegen Ende total nervig, musste augenrollend weiterskippen. Für mich persönlich hat die Gute mit Album 2 ihren Zenit erreicht, da wird sie wohl leider nie wieder hinkommen :-/

  • Vor 13 Jahren

    Ähm im ersten Abschnitt schon direkt ein Riesenfehler = Sie hat mit jedem Album WENIGER verkauft und nicht mehr

  • Vor 13 Jahren

    Das Album ist mega geil! Ich habs nun seit über 3 Wochen, und es läuft immernoch rauf und runter bei mir. Ich kanns verstehen wenn manche enttäuscht sind, aber so ist das halt mit den doofen Erwartungen! ;) Es geht halt in eine andere, sehr viel poppigere Richtung, aber deshalb muss es noch lange nicht schlecht bzw. schlechter als die Vorgänger-Alben sein. Pop kann auch sehr gut und erdig sein wie man auf diesem Album hört, das ist einfach toll produziert. Und was alle an dem mega glatten Mind, Body Soul so finden ist mir auch ein Rätsel...