laut.de-Kritik
Juhu, mehr Swag.
Review von Yannik GölzDeluxe-Editionen sind etwas Sonderbares. Im Grunde beweisen sie, konträr zur allgemeinen Musikjournalisten-Weisheit, dass es eigentlich überhaupt nicht das Konzeptuelle ist, das ein Album gut macht. Sondern die Songs. Du kannst jedes Konzept gut machen, wenn die Songs stimmen - und auch ein supercooles Konzept kann langweilig ausgeführt werden.
"Swag" von Justin Bieber war ein dämliches, simples Konzept, das dafür aber überraschend gut umgesetzt. Ja, das Tape war gut, weil es eine Menge gute Songs enthielt. Dass Bieber mit "Swag II" direkt eine Quasi-Deluxe-Quasi-neues-Album-Edition nachlegt, macht dies um so deutlicher.
Die neuen Tracks werden nun im Grunde genau gleich umgesetzt wie auf der Standardversion, und trotzdem sind die Ergebnisse Welten weniger interessant und reizvoll. "Swag II" ist eine so monoton durchgedudelte Streaming-Manipulation, dass es das Originalalbum per Assoziation fast schlechter erscheinen lässt.
Die guten Songs hier würden auf "Swag" zu den weniger interessanten gehören. "Speed Demon" ist okay, es nimmt klassischen 90er-R'n'B und legt eine starke, klassische Hook darüber. "Bad Honey" ist auch okay. Aber je länger diese Deluxe-Version andauert, desto mehr verschwimmen die Puls- und Tune-losen Tracks zu einer völlig beliebig wirkenden, musikalischen Wallpaper. "Ambient Pop" beschreibt als Genrebegriff eigentlich Anderes, würde aber hundertprozentig zutreffen. Songs wie "Moving Fast" oder "Dotted Line" bewegen sich so klumpfüßig, man fragt sich, ob Bieber oder man selbst zuerst einschläft.
Eigentlich wäre es eine Story, dass ein Bieber-Album mit einem Gospel-Track (nicht wirklich) namens "Everything Hallelujah" und einem unhörbaren, siebenminütigen Spoken Word-Track über Adam und Eva endet. Es könnte so skurril und peinlich und evangelikal sein, es würde viel größere Kreise ziehen. Vorausgesetzt, irgendwer ist an diesem Punkt der Tracklist noch wach.
Man sollte meinen, Features von Tems oder Lil B würden den Laden ein bisschen aufmischen, aber nichts dergleichen. Dieses Album hat eine strikte No-Fun-Policy. Das Gedudel wächst irgendwann gefühlt zu einem mannshohen Dickicht an. Die Tracks tröpfeln so sehr dahin, als wäre es beabsichtigt, dass man abschweift. Und so schweift man ab, fokussiert wieder, schweift wieder ab, fokussiert wieder usw., bis man merkt, dass diese ganze Deluxe kein Interesse an irgendetwas anderem hat, als halbwegs solide und nett den Hintergrund einer Parfümabteilung zu bespielen.
Das Komische: Isoliert man jeden Song von "Swag II" wirkt das alles für sich völlig okay. Diese Tracks machen nichts, ergo also auch nichts falsch. "Swag" hatte dagegen distinktive Momente, ein paar unerwartete Einflüsse und Features. Aber wenn "Swag" schon mit leichter Überlänge und einem vielleicht etwas zu sehr laid-backen Ansatz zu kämpfen hatte, nimmt "Swag II" alle Schwächen des ersten Teils und breitet sie über Albumlänge aus.
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