laut.de-Kritik
Kann getrost als musikalisches Kunstwerk angebetet werden.
Review von Alexander EngelenDieser K-OS ist ein Pfundskerl sondergleichen. Fragte sich Kollege Johannesberg bei der letzten Platte noch, ob auf einem Hip Hop-Album auch gesungen werden darf, stellt Kevin Brereton mit seinem neuesten Streich jetzt jegliche Rap-Dogmen komplett auf den Kopf. Bislang hätte ich jeden, der nur mit dem Gedanken gespielt hätte, einen Hip Hop-Track in ein Achtziger Jahre-Gewand zu packen, auf der Stelle zum Teufel gejagt. K-OS verzeihe ich das aber nicht nur, sondern danke ihm erführchtig für die musikalische Open-Mindness, mit der ich scheinbar nicht gesegnet bin.
K-OS zeigt eine fast unverschämte Abgebrühtheit. Sein Vorgängeralbum heimste beim Magazin The Source den Titel "International Album Of The Year 2003" ein. Daraus macht sich der kanadische Musiker aber nicht nur nichts, sondern setzt auf die Klasse von "Exit" noch einen drauf. "Joyful Rebellion" strotzt nur so vor lauter Musikalität, verwehrt sich jeder Kategorisierung und kann getrost als musikalisches Kunstwerk angebetet werden. Die schon angesprochene Achtziger-Nummer ("Man I Used To Be"), eine Art "Thriller" der Neuzeit, macht nur den Anfang. Zuvor konnten schon "Crucial" mit Seventies Drums und Reggae-Gesängen und "Emcee Murdah" als Powerintro mit Akustikgitarre und Streichern bezaubern. "Crabbuckit" hypnotisiert schließlich in bester Ray Charles-Manier - jedenfalls erinnert die Bassline verdächtig an "Hit The Road Jack".
Doch von Plagiat ist Kevin Brereton genauso weit entfernt wie von jedem weiteren Rapklischee. Um das halbe Dutzend voll zu machen, liefert K-OS noch eine Tanznummer für die Breakdancer und versucht sich als erster rappender Stierkämpfer ("B-Boy Stance", "Commandante"). Sechs Songs - sechs verschiedene Stile - sechs Mal purer Genuss. Ich kann mich nicht entsinnen, wann eine Hip Hop-Scheibe das letzte Mal so kontinuierlich und so spielerisch von Anfang an ein derartig hohes Niveau gehalten hat. Das Beste daran ist, es liegt danach noch eine halbe Stunde Musikgenuß vor dem Hörer.
Es folgen Liebeslieder, die keine sind ("The Love Song"), spirituelle Geistesbekenntnisse ("Hallelujah") und jeder Schublade trotzende Popsongs, die mich mitreißen, wie Musik selten zuvor. Am Ende steht "Papercuts" und subsumiert spanische Gitarren, Westernbläser, einen entfesselten Bass und die Raps von K-OS zu einem Statement der Stilvielfalt, Weltoffenheit und musikalischer Genialität.
Kevin Brereton ist der Heilsbringer, der das Hip Hop-Genre aus seiner viel geschmähten, eingeengten Lage befreien könnte. Er weiß, was er kann - immerhin steht K-OS für Knowledge Of Self - und er ist bereit, sein vielfältiges Ich in seine Musik einzubringen. K-OS macht musikalisch anspruchsvollen Hip Hop einem breiten Publikum schmackhaft. In seinem Heimatland Kanada hat er es mit fünf Millionen verkauften Platten bereits geschafft. Jetzt ist der Rest der Welt an der Reihe.
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