laut.de-Kritik
In der Isolation entdeckt der Bloc Party-Sänger die Gitarre neu.
Review von Simon ConradsEr geht nicht weg, dieser Wunsch, Bloc Party oder auch Kele allein könnten irgendwann noch mal an "Silent Alarm" oder "A Weekend In The City" anknüpfen. Mit dem Quarantäne-Album "The Waves Pt. 1" geht dieser Wunsch nun zwar nicht in Erfüllung, aber es blitzen doch die recht minimalistischen, aber effektiven Gitarrenriffs auf, die Bloc Party Mitte der 2000er so spannend machten. Kele verzichtet auf dichte Synthwände und Clubsounds, die seine bisherigen Solowerke prägten, über weite Strecken sogar auf Gesang - und findet so den Klang der Isolation. Dass darüber hinaus keine Drums zu hören sind, unterstützt den Eindruck eines vereinzelten Künstlers, der sich ganz der eigenen Kreativität widmet.
Die Songs kommen sehr reduziert und melancholisch, und es bleibt fraglich, ob das Album auch außerhalb des Pandemie-Kontextes funktionieren würde. Derzeit kann man es vor allem als Einblick in den Umgang eines Menschen mit der Krise begreifen, mit der wir alle konfrontiert sind. Das klangliche Grundgerüst wurde dabei von Keles eigenen Videos inspiriert, die er zu Beginn der Pandemie auf Instagram hochlud. Darin coverte er eigene und fremde Songs solo und nur mit einer Gitarre.
Nach und nach fand Kele so in der Pandemie zur Gitarre zurück und entdeckte neue Arten, das Instrument zu spielen, beziehungsweise mit dem Instrument zu spielen, wie er dem Guitarworld Magazine erzählte: "'The Heart Of The Waves' hat mir gezeigt, dass ich das kann – dass es möglich war, anders über die Gitarre zu denken. Dass man sein Spiel vom Griffbrett auf das Pedalboard bringen kann". Kein Wunder also, dass sich der Brite auch auf dem Cover mit Gitarre präsentiert.
"Message From The Spirit World" eröffnet die Platte mit einem wabernden Synth, über den sich dann erstaunlich warmes Gitarrenspiel legt. So lässig wie hier klang Keles Musik selten. Erst gegen Ende des Tracks werden einzelne Sprachschnipsel eingespielt. Der Fokus liegt aber auf der durch die Musik erzeugten, verträumten Atmosphäre. Mit "They Didn't See It Coming" folgt der rundeste Song des Albums, hier nimmt der Gesang die zentrale Position ein. Wenn Kele am Ende die Titelzeile singt, erinnert das stark an "I Still Remember". Würde Matt Tong noch dazu trommeln, wäre der Song gut auf einem der frühen Bloc Party-Alben denkbar. Gegen Ende kommt der Gitarrensound gar den Klangtüfteleien Tash Sultanas nahe.
Etwa 50/50 teilen sich das Verhältnis von Instrumentals und Songs auf. Und meistens macht es viel Spaß, Kele beim Neuentdecken der Gitarre zuzuhören, ganz besonders bei "The Patriots" oder dem bereits erwähnten "The Heart Of The Wave", das ähnlich wie der Opener erstaunlich frisch und luftig klingt. Das instrumentale "Dungeness" hingegen gerät etwas zu sperrig und steht so als kleiner Stolperstein in der Mitte des Albums. Generell hätten man einige Stücke straffen können, etwa "Intention", das zwar immer wieder schöne Passagen hat, aber insgesamt unauffällig bleibt.
"Ninveh" setzt auf schönes Klavierspiel und begeistert vor allem gegen Ende mit der Verzahnung des Klaviers mit repetitiven Gitarrenriffs - und Keles passioniertem Gesang. Mit "Smalltown Boy" hat es auch ein Cover auf "The Waves Pt. 1" geschafft: Die Umsetzung verrät viel über den generellen Vibe des Albums. Aus dem eigentlich so treibenden Synthpop-Track macht Kele eine schleppende Ballade, die so gar keinen Bock auf Aufbruch und Tanzbarkeit hat. Ja, so klingt die Isolation.
Noch keine Kommentare