laut.de-Kritik
Satter Sound, tolle Tracks, inspirierte Instrumentalisten.
Review von Philipp KauseAus der Metallschmiede des Blues schmettert Kenny Wayne Shepherd sieben funkelnde Diamanten in den Sog der Lautsprecher. Dass sie dreckverschmiert sind, "Dirt On My Diamonds", Schmutz an den Edelsteinen haftet, das merkt man durch den klaren Memphis-Bezug: Shepherd schleift eben Schlamm aus den Sümpfen des Mississippi mit. Trotzdem hebt der 46-jährige Fender-Strat-Hero lauter Nuggets beim Erkunden seiner Heimat. Und dabei ist das nur eine Portion, ein Nachschlag-"Volume 2" wird folgen.
Die ersten drei Songs von "Volume 1" handeln konsequent vom Fluss, vom Südosten der USA, von Kennys Lieblingsgitarre, von der Liebe zur Musik. Aufgewachsen in Shreveport, fünf Autostunden vom Delta des Big Muddy River, zog Shepherd mit seiner Band ins ruhmreiche Fame-Studio von Muscle Shoals, Alabama. Dessen Sound steht als Synonym für beste Qualität, die Allman Betts Band rief ihn wieder in Erinnerung. Das gemütliche Ambiente mit 70er-Jahre-Möbeln und geschmackvoller Holzvertäfelung lädt zum Verweilen, zum (heraus hörbaren) Perfektionismus und offenkundig dazu ein, sich völlig in die Gefühle der Musik zu vertiefen.
Shepherds Ensemble versinkt in der Passion und klatscht einen geschmackvollen Retro-Tune nach dem anderen raus. In der Mitte wird der Blues-Trupp mal rock'n'rollig, auch am Hardrock geschult, wenn die Herren ins wilde Nachtleben ausschwirren, getreu dem Motto "Saturday Night's Alright For Fighting".
Grundsätzlicher Charakter der Platte ist zwar, dass die Gitarren dominieren und die Video-Clips suggerieren, dass es so sei. Anteilig ist dem wirklich so, mit geschmeidigen Soli, zum Beispiel in "Bad Intentions", ab Minute 3:05 bis 4:10, in "Ease On My Mind" (1:48 bis 3:06 und 3:43 bis 5:40), oder knapp und klasse in "Best Of Times", 1:50 bis 2:22. Aber Kenny Wayne profitiert auch von einem Keyboarder, der sich so scharfkantig in die Tasten krallt, wie Diamanten schneiden: Joe Krown, er war in den 90ern Support für Clapton, jammte schon mit Santana in Montreux und gilt als lokale Größe für alles von Blues-Revival bis Funk-Grooves im Raum New Orleans.
Besonders die Dramaturgie der langen Ballade "Ease My Mind" fußt wesentlich auf den schillernden Vibes seiner Orgel. Dass irgendwas an dieser Scheibe "Bad Intentions" aufweisen würde, lässt sich nur am Songtitel festmachen. Ansonsten versprüht die Platte deutlich gute Laune, Entschlossenheit, hat ordentlich Biss und macht munter. Eine kleine Einschränkung gibt es: Das Album umfasst zwar acht Tracks, die Single "You Can't Love Me" fällt aber als kalkulierter Radio-Pop mit flacher Liebes-Lyrik und simpler Liedstruktur aus dem Rahmen. Das Strickmuster erinnert allzu abkupfernd an Mellencamps 80er-Hits.
Zum Ausgleich fasziniert dafür der kaum erwartbare Soul-Rock-Ausflug "Man On A Mission" mit mehr durchmischtem Band-Sound, bei dem den Bläsern neben den Standard-Instrumenten eine gleichwertige Rolle zukommt und der Gesang sich unterordnet. Blechbläser halten mehrere Tracks immer wieder gut am Laufen. Sie schieben sie sogar energisch an, wie mit einem tollen Trompeten-Riff beim Einstieg in die Nummer "Best Of Times". Und gerade die Vocals heben sich als Pluspunkt durchweg hervor. Kenny Waynes Stimme hört sich einfach natürlich und angenehm an. Klarer Kauf-Tipp, weil's was Echtes ist!
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