laut.de-Kritik

Moll ist, wenn's traurig klingt.

Review von

Ein düsterer Bass wie aus einem Hans Zimmer-Soundtrack, zehn Sekunden, zwanzig Sekunden, eine halbe Minute. Dann bricht ein Klavierakkord das finstere Wummern und Kevin Garretts geschliffenes Falsett setzt ein: "It's been too long to kepp hanging on now / And all the times I've tried to run but I can't ignore it / And it's a shame the way I want you". Die Break-Up-Ballade "Warn" ist schon mal ein thematischer Vorgeschmack auf das Album.

Musikalisch verfolgt der Song das Erfolgsrezept seines Hits "Coloring" und setzt erneut auf gefühlvollen R'n'B, getragen von Garretts heller, klarer Stimme. Hier wie dort erinnert das an James Blake, wenn der entscheiden würde, sich gesanglich etwas ans Radio anzupassen.

Spätestens bei "It Don't Bother Me At All" drängt sich der Verdacht auf, dass "Hoax" noch eine ziemlich lange und eintönige Sache werden könnte. Denn große Varianz ist nicht vorgesehen. Ab und an mal eine Gitarre, hier und da ein paar Streicher. Unter allem aber dominieren Klavier und ganz viele Mollakorde. Das Ganze gibt's dann mal mehr und mal weniger elektronisch unterlegt.

Wenn Kevin Garrett musikalisch nur Variationen des ewig Gleichen anbietet, ist es nur recht und billig, dass "Hoax" auch textlich nur um den eigenen Bauchnabel kreist. Herrgott noch mal! Gegen Kevin Garrett wirkt ja selbst Drake wie ein quietschfideles und optimistisch nach vorne blickendes Kerlchen. Hej Kevin, jetzt mal so von egozentrischem Mittzwanziger zu egozentrischem Mittzwanziger: Vielleicht sind die eigenen Beziehungswehwehchen halt doch nicht spannend genug um ein ganzes.fucking.Album damit zu füllen.

Dass "Running From" der einzige Song ist, der etwas aus dem Konzept der traurigen Piano-Ballade ausbricht, ist bezeichnend. Noch bezeichnender ist, dass es der schwächste Song des Albums ist. Kevin Garrett ist und bleibt ein One-Trick-Pony. In einzelnen Tracks (besonders "How Dare We Fall" und "Smoke") schöpft der Amerikaner sein Potential aus. Für mehr als eine solide EP hätten die spärlichen Highlights auch nicht gereicht. Als Album ist "Hoax" zu lang, zu eintönig, zu austauschbar.

Dazu kommt, dass ich den James Blake-Vergleich einfach nicht aus dem Kopf bekomme. Denn letztlich klingt Kevin Garrett für mich wie die radiotaugliche und schmalzigere Version des Briten, mit dem er witzigerweise Beyoncés "Pray You Catch Me" zusammen produzierte. Auch Stars wie Katy Perry und Sam Smith outeten sich bereits als Fans. Passt also, dass "Hoax" wie ein Hollywood-Remake von Blake klingt: Konventioneller, geschliffener, massentauglicher. Und bedeutend schwächer.

Trackliste

  1. 1. Warn
  2. 2. Faith You Might
  3. 3. Running From
  4. 4. It Don't Bother Me At All
  5. 5. Smoke
  6. 6. Title Track
  7. 7. How Dare We Fall
  8. 8. Just Because
  9. 9. Telescopes
  10. 10. Love You Less
  11. 11. Don't Rush
  12. 12. In Case I Don't Feel
  13. 13. Like We Used To

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