laut.de-Kritik

Allstar-Weihnachtsfest im Rentier-Strickpulli.

Review von

Bei "Wilde Winter Songbook" handelt es sich um ein echtes Megastar-Projekt. Gemeinsam bringen es die vier hier versammelten Musiker auf über sechzig Millionen verkaufte Tonträger und über zwanzig Top Ten-Hits. Jeder von ihnen hat mindestens einen Welthit im Gepäck. Einer von ihnen bekam 2008 sogar den 'MTV European Music Award Best Act Ever' verliehen. Was soll also schief gehen?

Ach ja, richtig, das Timing. Timing ist alles. Da es sich bei den vier Megastars um Kim Wilde, deren Papa Marty, Nik Kershaw und Rick Astley handelt, kommt "Wilde Winter Songbook" einfach bloß knappe 25 Jahre zu spät. Aber zumindest haben sie es mit dieser Ansammlung altbekannter Weihnachtsschlager und sechs Neukompositionen noch rechtzeitig zu den Festtagen in die Elektro-Märkte geschafft. Nun jauchzet all, ihr Frommen.

Im Grunde warte ich ja schon seit 1987 auf ein Kim Wilde-Winteralbum. Damals rockte sie zusammen mit dem englischen Komiker Mel Smith unter dem Namen Mel & Kim die englischen Charts mit "Rockin' Around The Christmas Tree". Da Smith im Juli einem Herzinfarkt erlag, übernimmt in der Neuaufnahme des Christfest-Rockabilly Nik Kershaw dessen Part.

In eine ähnliche Richtung wagt sich "Hey Mister Snowman", ein fluffiges Country-Liedlein, bei dem es sich übrigens nicht um einer dem Schnee angepassten Version des alten Kim Wilde-Hits "Hey Mister Heartache" handelt. Das Fest lässt sich also auch durchaus vergnügt und mit unschuldig leuchtenden Augen präsentieren und muss nicht zwangsweise in der gekünstelten Trägheit von "A Mary Christmas" enden.

Wenn sich die Familie Wilde mit Vater Marty, Bruder Ricky, Nichte Scarlett und Kim selbst in der heimeligen Weihnachtsbäckerei versammelt, um der Fleet Foxes' "White Winter Hymnal" zum Besten zu geben, hat das durchaus etwas Possierliches. Nicht weit vom Arrangement des Originals entfernt, entblößen sie dabei eher unbeabsichtigt und im Vorbeigehen die behagliche Spießigkeit des Folk-Pop.

Kim Wilde transportiert die alten Klassiker mit Leichtigkeit und einem Augenzwinkern in der Stimme, so das selbst das abgehangene "Have Yourself A Merry Little Christmas" nicht sonderlich schmerzt. Im klassisch vorgetragenen "Winter Wonderland" übernimmt der singende Rentierpulli Rick Astley die Hauptrolle. Kuschelig schmiegt sich der Ober-Crooner an die Seite der Britin und wagt sich sogar an eine kurze Pfeifeinalge. Darauf einen Punsch.

Doch auch mit diesem intus bleibt vieles auf "Wilde Winter Songbook" Flickwerk. Gerade die selbstgeschriebenen Stücke, vorwiegend Balladen, bremsen den Spaß. Schafft es "Hope" gerade noch ins Ziel, schlurfen "One" und "New Life" nur trantütig hinterher. Wirklich schlimm ergeht es dem zum größten Teil A-Capella vorgetragenen "Winter Song" und der Schnulze "Burn Gold (Silent Night)".

In letzterer kuschelt sich Kim auf einem Elchfell vorm Kaminfeuer ganz eng an ihren Ehemann Hal Flower. Gemeinsam geben sie sich dem Kitsch hin, bis letztendlich auch noch das unvermeidliche "Silent Night" aus ihnen herausbricht. Das mag für die beiden einen magischen Moment markieren, aber das nächste Mal sollten sie doch bitte nicht gleich die Menschheit daran teilhaben lassen.

Trotz mancher Überdosis Zuckrigkeit hat man bei "Wilde Winter Songbook" niemals das Gefühl, einem konstruiertem Massenprodukt beizuwohnen. Kim Wilde baut mit ihrem Weihnachtsalbum eine familiäre Atmosphäre auf. Ihr macht es deutlich Spaß, das Fest im Kreis ihrer Angehörigen und ihrer Freunde zu feiern. Und das ist mehr, als man über die meisten Weihnachtsalben sagen kann. "Happy Crimbo Kimbo!"

Trackliste

  1. 1. Winter Wonderland ft. Rick Astley
  2. 2. Hope
  3. 3. One
  4. 4. Have Yourself A Merry Little Christmas
  5. 5. Winter Song
  6. 6. New Life
  7. 7. White Winter Hymnal ft. Marty Wilde
  8. 8. Burn Gold (Silent Night) ft. Hal Fowler
  9. 9. Song For Beryl
  10. 10. Let It Snow
  11. 11. Hey Mister Snowman
  12. 12. Rockin' Around The Christmas Tree ft. Nik Kershaw

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