laut.de-Kritik
Verrückte Reise quer durch die Pop- und Rockgalaxie.
Review von Jasmin LützDie 80er Jahre hatten auch ihre guten Seiten. Punk, Demos, Sponti-Sprüche ("Ich geh kaputt, gehst du mit?"), und selbst musikalisch wurden doch so einige hörbare Sounds angeboten. "Scheiß Kapitalismus" und "Wir sind Fucking Independent!" ist jetzt wieder aktuell in aller Munde und wird laut herum gebrüllt. An vorderster Front, der gute Frank Möller. Besser bekannt als Knarf Rellöm. Diesmal ohne "Ladies Love", aber dafür "with the Shi Sha Shellöm". (Das reimt sich so gut) Mit dem Namen kann er allerdings, laut Eingangserklärung auf seinem neuen Album "Einbildung ist auch ne Bildung", sofort einpacken: "Allright, that's your name? Look man, with this name you have absolutly no chance…")
Ganz gleich wie der Mann sich letztendlich nennt. Die inneren Werte zählen, und wäre Knarf Rellöm ein Vertreter für Staubsauger, ich würde ihm sofort einen abkaufen. Eben noch in Zürich, jetzt noch mal bei den Hamburgern zu Hause, erfindet sich der Kosmopolit immer wieder neu: "Ich bin real, ich bin echt, ich bin pur. Nur schlechte Bands heißen Echt und Pur." ("Change Is Gonna Come"). Ehrlicher Sprachwitz mit wummernden Bässen bereichern die eigene Bildung. Gemeinsam mit DJ Patex und Viktor Marek (8-Doogymoto) als "Roc-Stars" in den Medien unterwegs. Niemand kann sie aufhalten. "Die Disco-Tanzfläche gehört uns"!
"Little Big City" lebt den Konsum. Schon im Oktober 2003 als Splitsingle, zusammen mit Saalschutz auf Rewika erschienen, wusste ich, das ist DER Hit für alle Discokugeln und solche, die es werden sollten. Trotz Glamour-Helm und experimentellen Tönen behält Knarf Rellöm with the Shi Sha Shellöm weiterhin die Gitarre in der Hand. Punk will never die! Ein Mann voller Sex and Rock'n'Roll, der aus der Badewanne, total vergrippt, mal eben ein Telefoninterview gibt und dabei immer noch so klug und freundlich ist. Am nächsten Tag steht er dann leicht verschwitzt, aber gutgelaunt auf der Bühne und rockt das Haus. (Das ist fucking independent!)
Den Soulpunk hat Rellöm spätestens auf seiner Platte "Fehler Ist King" erklingen lassen, mit "Einbildung ist auch ne Bildung" dreht er die Discokugel weiter auf. Mit "Party People In The House" wird der zweite Hit gekürt. "Ice, Ice, Baby"-Rhythmen gibt es dann "am Morgen, am Abend, am Mittag und mitten in der Nacht". Ab und an wirft Herr Rellöm mit berühmten Songzitaten, aus der meist bösen Musikszene um sich und beweist damit seine Liebe zur Popmusik. Intelligente, witzige Songstrukturen gepaart mit groovigem Soundteppich und jede Menge Rumpelpunk. So erleben wir mit ihm eine verrückte Reise quer durch die Pop- und Rockgalaxie.
"Einbildung ist auch ne Bildung" huldigt exzessiven Punkrockern und Musikern, die ihr gesundes Selbstbewusstsein nach draußen genuschelt haben und somit legendär geworden sind. Eine Aufforderung also, sein Eingebildetsein der Welt zu präsentieren, auch wenn es nicht immer charttauglich ist. So wie es Mark E. Smith schon immer vorbildlich getan hat und wofür Mr. Knarf Rellöm seit vielen Jahren hierzu Lande bewundert wird. Dass die Shi Sha Shellöms auch noch ein Händchen für gute Coverversionen haben, hört man bei "I Wish I Was Him". Ursprünglich von Ben Lee gesungen und komponiert für seine großartige Band Noise Addict. Hier nun in einer elektronischen Cha-Cha-Cha- Version gesungen von DJ Patex, die nicht nur eine gute Bassistin ist, sondern auch eine wunderbare Stimme hat.
Zeit den Popo wieder zu schwingen, bevor es einen lustigen "Tony Curtis"-Witz gibt. "Are you ready?" fordert erneut zu wilden Tänzen im Stroboskop-Licht auf. Es ist Freitagabend und wieder heißt es "Lebenslänglich Disco" ... Bleibt mir nur noch zu sagen: Bitte mehr Knarf Rellöm-Platten kaufen und immer schön vor R.E.M. einordnen. Und nicht vergessen: Play It fucking LOUD!
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