laut.de-Kritik
Jubiläumskonzert mit Rhiannon Giddens und Natalie Merchant.
Review von Giuliano Benassi2014 feierte Nonesuch seinen 50. Geburtstag. 1964 hatte der Chef von Elektra, Jac Holzman, die Idee, ein Budgetlabel für klassische Musik zu gründen. Der Preis eines Albums sollte mit 2,50 US-Dollar nur halb so hoch sein wie für ein gewöhnliches klassisches Album und dem eines gebrauchten Taschenbuchs entsprechen. Da Neueinspielungen zu teuer gewesen wären, kaufte Holzman Bänder und Lizenzen in Europa ein.
Eine Wette, die aufging. Zur Klassik in verschiedenen Ausprägungen gesellten sich bald Weltmusik und Jazz, ab dem neuen Jahrtausend auch Americana und Pop im weitesten Sinne. Der Blick über die Genres hinweg und Kooperationen zwischen den Künstlern sind dabei ausdrücklich willkommen. Mit interessanten Ergebnissen, wie auch das vorliegende Album beweist.
Das Kronos Quartet, 1973 von Violinist David Harrington gegründet, gehört zu den Aushängeschilder von Nonesuch, das seit 1984 ganze 47 Werke von ihm veröffentlicht hat. Grenzen kennt das Streicherquartett keine. Zum Jubiläum nahm es sich Traditionals aus dem Repertoire von Labelkollegen Sam Amidon, Olivia Chaney, Rhiannon Giddens und Natalie Merchant vor. Gemeinsam traten sie bei Jubiläumsauftritten in New York und London auf. 9 der 14 Stücke, die sie damals aufführten, nahmen sie im Studio für diese Veröffentlichung auf.
Dabei ging das Quartett bei der Ausarbeitung der Arrangements behutsam vor: Sie klingen bei genauem Hinhören frisch und überraschend, lenken die Aufmerksamkeit aber auf die Solisten am Mikrofon.
Sam Amidon dekonstruiert auf "Oh Where" und "I See The Sign" erst die Melodien, um sie wieder neu zusammen zusetzen: Nicht um sie zu zerstören, sondern um die Intensität zu erhöhen, wie es ihm schon auf "Lily-O" (2014) bestens gelungen ist. Olivia Chaney ist eine britische, klassisch ausgebildete Pianistin und Sängerin, die sich mit "Rambling Boys Of Pleasure" (nach einem Gedicht von W. B. Yeats) und "Montaigne, Que Tu Es Haute" (auf Französisch) am vergleichsweise schwierigsten Material versucht. Und auch besteht.
Auch klassisch ausgebildet, aber in der traditionellen Musik der Südstaaten verwurzelt, ist Rhiannon Giddens, Sängerin der Carolina Chocolate Drops und damals Star des Labels, als sie gerade ihr Solodebüt "Tomorrow Is My Turn" veröffentlicht hatte. Mit ihrer warmen Stimme liefert sie neben "Factory Girl" und dem abschließend zärtlichen "Lullaby" auch die Vorlage für das Instrumental "Last Kind Words", das ihr Solodebüt eröffnete.
Die schönsten Momente stammen jedoch wieder von Natalie Merchant, die aus der nie versiegenden Quelle der "Anthology Of American Folk Music" (1952) "The Butcher's Boy" fischt und mit "Johnny Has Gone For A Soldier" ein (übersetztes) irisches Stück aus dem 17. Jahrhundert interpretiert. Sie macht nicht wirklich Neues, schließlich hat sie 2015 ihr Solodebüt "Tigerlily" mit Streichern neu interpretiert, doch ihre Stimme bleibt umwerfend.
Im Studio klingen die Aufnahmen sicherlich weniger intensiv als auf der Bühne. Eine schöne Art, das runde Jubiläum zu feiern, ist die Platte trotzdem, auch wenn mittlerweile drei Jahre vergangen sind. Dass die Verantwortlichen von Nonesuch weiterhin ein breites, unübliches Spektrum abdecken wollen, zeigt sich auch an zwei weiteren, zeitnahen Veröffentlichungen: Einerseits das erste Werk der Fleet Foxes seit sechs Jahren, andererseits die Bach-Neuinterpretation des Cellisten Yo-Yo Ma, Mandolin-Spielers Chris Thile und Kontrabassisten Edgar Meyer.
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