laut.de-Kritik
Schöner lachen über Nazis.
Review von Ulf KubankeDie germano-finnisch-australische Naziploitation-Farce "Iron Sky" ist das polarisierende Filmereignis des Jahres. Von den üblich moralinsauren Reichsbedenkenträgern bis zum Uniformfetischisten hat so ziemlich jeder eine öffentliche Meinung zu diesem ebenso grobmotorischen wie komplexen Stückchen Zelluloid. Bei so viel Raum für große Kunst und weit größere Missverständnisse kommt für den Soundtrack nur eine Band im Universum in Frage: Laibach.
Postwagnerianisches Getöse haben die 1990 bereits für das Theater ersonnen ("Macbeth"). Film und Kino ist ihnen als Medium bislang neu. Erst die vorliegende - nur scheinbar trashige - Filmidee konnte die strukturiertesten aller komplett Verrückten des Showbiz von den virtuellen Wiesen ihres imaginären NSK-Staates heim ins diesseitige Studio locken. Heraus kommt musikalisch einmal mehr ihre einzigartige Mischung aus bewusst plakativer Primitivität und hochkomplexen Mustern. Damit machen es sich die Rammstein für Erwachsene (humoriger Laibach O-Ton) mal wieder nicht leicht. Dem Hörer traditionell auch nicht.
Zwischen "NATO"-Disco und ihrem stets leicht martialischen Postindustrial-Gedengel gelingt das apokalyptisch rockende Opening mit "B-Mashina" (von "WAT" stammend). Im Verlaufe des Albums zitierren sie sich gern noch das eine oder andere Mal selbst ("Volk"; "Macbeth"). Solche Momente haben indes nichts mit limitierter Kreativität zu tun. Im Gegenteil: Getreu ihrem seit jeher mutwillig missverstandenen Konzept der 'Überidentifikation' fügen sie alt in neu, um der Menschheit einmal mehr ihr erbärmlich faschistoides Antlitz zu spiegeln. Dialogsequenzen aus dem Film u.a. mit dem hier - wenig überraschend - perfekt passenden Udo Kier ergänzen die absurde Atmosphäre.
Mit dem wörtlich zu nehmenden "Take Me To Heaven" up to the mountains ... geht es samt Dirndlchor und Zither ab auf den akustischen Obersalzberg. Große Teile der Platte suhlen sich hernach geradezu obsessiv in einem Gemisch plastilinierten Wagners mit kastrierten Heldenchören und etwas teutonischem Barbarentamtam aus der Florian Silbereisenecke für Diktatoren.
Der absolute Höhepunkt aus der slowenischen Abteilung 'Schöner lachen über Nazis' gelingt ihnen mit dem großen Wurf "Kameraden, Wir Kehren Heim". Sie schnappen sich das durch "Casablanca" ebenso berühmte wie durch die Wehrmacht recht berüchtigte "Lieb Vaterland, Magst Ruhig Sein" und ersetzen den Originaltext der 'Wacht Am Rhein' mit einem authentisch parodierten 'Heim Ins Reich'-Text. Meisterlich eingebettet zwischen der ultimativen Freiheit einer Pink Floyd-Note und einem verschnupften 'Heil Hitler'-Ausruf.
Das kann man aus künstlerischer Sicht kaum toppen. Der cartoonhafte Sütterlin-Spirit des Artworks leistet ebenso seinen gewohnt Laibachschen Beitrag zur Scheinauthentizität. Ein erfreulich dickes Ausrufezeichen an alle Mediengestalten, die die dienstältesten aller Freigeister des Ostblocks seit fast 30 Jahren mit dem dummdreisten Stigma der angeblich rechtsextremen Band belegen.
Vor 25 Jahren spielte noch Sänger Milan Fras die Hauptrolle, als er auf der "Opus D'Ei" Tour - halbnackt und mit Hirschgeweih auf dem Kopfe - dem deutschen Publikum entgegenschrie: "Wirr wissän, wärr bähse iesst!". 2012 geben sie mit diesem degenerierten Meisterwerk die tönende Antwort im Kollektiv. Weiter so. Wer es sich mit den staatlich verordneten Betroffenheitsstrukuren unseres Landes ebenso versaut wie mit den Nazis, hat als Künstler alles richtig gemacht. Schon jetzt eine der herausragenden Platten des Jahres. Auch wenn der unheilge Graf sie weiterhin für 'irrelevant, weil unbekannt' halten sollte.
13 Kommentare
Der Film steht auf meiner Kino-Liste ganz oben, ich schätze da kann ich gut ablachen!
Haha, "der Graf" hat was zu Laibach gesagt? Der DARF das gar nicht hören.
alles, was du dem schom immer an den kopf hauen wolltest, findest du hier ('die emotion muss stimmen') http://www.laut.de/Unheilig
@unorigineller_name («
Nette Rezi. Die Verwechslung von 'Menschheit' mit 'Moderne' und 'Antlitz' mit 'Potential' sowie das Sarrazin-Geschmäckle bei 'staatlich verordnet' kam bei meiner totalitären Zensurbehörde allerdings nicht gut an. »):
schelm
Sehr schönes Album, bei einigen Songs setzen sie den Stil von "Volk" sehr gut fort. den Film konnte ich mir leider nicht ansehen, aber das Konzert am 1. April in Dresden war fantastisch.
Hab' das Album jetzt vor 2 Wochen gekauft, und noch nicht gehört. Sie dürfen mich jetzt gerne töten.