laut.de-Kritik

Einer der raren Lichtblicke der aktuellen Deutschrap-Saison.

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Kurz deutet Lance Butters eine Kehrtwende an. "Ich lass' die Dämonen hinter mir, Homie. Das' alles nur in dei'm Kopf. Ist 'ne Einstellungssache, mein Bruder." Geselliges Beisammensein im Park in entspannter Atmosphäre dominiert, bis dann doch das Instrumental und die allgemeine Stimmung einbrechen. "Dieses Leben ist giftig. Zwischen Erfolgsdruck und Panik bleibt nicht viel Hoffnung auf ruhigere Tage." Der "Sommer" verlangsamt und Lethargie greift um sich. Nur noch Sprachfetzen als Vocal-Samples ertönen verstreut über die Produktion. "Sag, wer rettet mich?", lautet die Schlüsselfrage.

"Depression kommt schleichend, nistet sich bei dir ein und geht tiefer und tiefer und tiefer und tiefer und tiefer und tiefer", formuliert er in "Knock Knock" seinen schrittweise verlaufenden Abstieg. Nach außen hin wechselt seine Fassade zwischen Billie Eilish und Clint Eastwood, während er im Inneren mit sich kämpft. Gelungen hallt der Sound von den Kellergewölben seines Unterbewusstsein wider. Das ähnelt durchaus dem Album "Lockdown", auch wenn Lance Butters die brutale Konsequenz von Schwartz fehlt. Dafür ist der Friedrichshafener natürlich der versiertere Rapper.

Betäubt und von sich selbst entfremdet lehnt Butters es ab, die Rolle der "Leitfigur für die Verlorenen" anzunehmen. Stattdessen sehnt sich der Rapper nach "Stille", die ihm das wie fremdartige Schreie verzerrte Instrumental verwehrt. "Man ständig nur scheitert an jeder Beziehung, weil man wohl schon früher keine Nähe verdiente", erklärt er, um in "2019" auch selbstkritisch seinen Umgang mit seinen engsten Mitmenschen zu reflektieren. Von der Liebsten weg kroch er "auf allen vieren hin zur Therapie". Die Produktion von Kidney Paradise schleicht dazu nebenher.

Verständlicherweise fehlen ihm die Ressourcen, um sich noch um die "Shitshow" namens Deutschrap zu sorgen. "Ihr habt 60 unreleaste Tracks auf Platte und alle prall gefüllt mit belanglosem Schwachsinn", fegt er die Fließbandproduzenten beiseite. Wenn er sich allerdings um einen gehaltvollen Song wie "Nein" bemüht, fällt das Ergebnis auch eine Spur zu unterkomplex aus. So unterscheiden sich CDU und AfD aus seiner Sicht nur in der Buchstabenkombination. Und über seine Attacke gegen Luke Mockridge hat sich dieser - anders als bei Farid Bangs "Comedy-Rapist"-Vers auf "X" - bereits amüsiert.

Dennoch landet er in "Nein" einige Treffer. "Bist du weiß und privilegiert, willst du mit der Gleichheit aller Bürger halt auch einfach nichts zu tun haben", betont er im Streben nach Diversität, "LGBTQ wird hart belächelt von paar bierbäuchigen Pennern." Mit dem Männlichkeitsbild eines Kollegah kann er dem entsprechend wenig anfangen: "Ein echter Mann isst Tiere und weint nie, doch vor allem dominiert er die Frau, weil die das liebt." Am Ende stellt er sich mit der wohl wichtigsten Botschaft der Man-wird-doch-noch-sagen-Fraktion entgegen: "Halten wir gemeinsam doch alle mal die Fresse."

Mit "Shove It Pop" findet er zurück in die frühere Battle-Spur. "Vergesset besser nicht, wer ich bin und was ich drauf hab'", rappt er mit fester Stimme. Die Drohung bleibt aber hohl. Wer sich "Angst" und nun auch die "Sommer EP" anhört, käme kaum noch auf die Idee, dass sich der Maskenrapper seine Meriten einmal im kalauernden VBT-Kosmos erworben hat. Dank Haltung und Persönlichkeit hat er sich davon längst emanzipiert. Und wenn er sich mit seiner sommerlichen Introspektion schon selbst kaum retten kann, so liefert er zumindest einen der raren Deutschrap-Lichtblicke der aktuellen Saison.

Trackliste

  1. 1. Sommer
  2. 2. Knock Knock
  3. 3. Nein
  4. 4. Stille
  5. 5. Kopf (Freestyle)
  6. 6. 2019
  7. 7. Shove It Pop

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