laut.de-Kritik
Bonjour, Breakdown!
Review von Emil DröllMit "Lost In The Waves" lieferten Landmvrks 2021 ein Album ab, das für viele Fans das Nonplusultra modernen Metalcores war. Die Latte liegt also hoch. Vielleicht zu hoch? Keineswegs! Drei Jahre später melden sich die Franzosen mit einem Nachfolger zurück, der nicht nur den Titel "The Darkest Place I've Ever Been" trägt, sondern genau das klingt: finster, emotional, eruptiv.
Der Opener nimmt sich Zeit – fast schon verdächtig viel. Verzerrte Akkorde, zurückgenommene Vocals, ein Moment des Innehaltens, bevor der Sturm losbricht. "It feels like the darkest place I've ever been" brüllt Florent Salfati plötzlich ins Mikro – und was folgt, ist nichts weniger als der totale Zusammenbruch. Shouts wie Abrissbirnen, ein massives Riffgewitter und ein energisches "Landmvrks twenty twenty-five!" setzen die Marschrichtung: Das hier ist keine bloße Fortschreibung, sondern eine neue Ära.
"Creature" bringt die Trademark-Marseille-Vibes ins Spiel. Französischer Rap, aggressiv und spuckend, trifft auf pinch harmonics und Highspeed-Riffs. "I am the creature", kein Zweifel: Diese Band weiß, wie man Identität in Klang gießt. Der Song changiert geschickt zwischen Wut und Melodie, mit einem Refrain, der sich ebenso gut im Moshpit wie im Gedächtnis festsetzt.
"A Line In The Dust" kommt mit prominentem Support: Mat Welsh von While She Sleeps bringt Abhilfe auf einem Song, der fast schon schizophren zwischen Härte und Melancholie pendelt. Die Struktur wirkt zerschnitten, collageartig, und genau das macht ihn spannend. Hier fließen 100 Ideen in drei Minuten. Klingt überladen? Ist es nicht. Es funktioniert.
"Blood Red" beginnt mit cleanem Gitarrensound, dann ein Wechselspiel zwischen englischem Gesang und französischem Rap. Marseille trifft Metal, und der Spannungsbogen hält bis zum letzten Ton. Mal ballert Salfati, mal flüstert er, dann explodiert alles erneut. Dieser Track ist pure Dramaturgie. "Sulfur" klingt wie eine Hommage an den klassischen Nu Metal der 2000er. Stampfende Riffs, schneidende Screams, ein Refrain zum Mitgrölen. Dazu eine Produktion, die knallt, aber nie überproduziert wirkt. Spätestens hier ist klar: Diese Band hat nichts von ihrer Dringlichkeit eingebüßt.
Mit "Sombre 16" folgt ein kurzer, aber intensiver Einschub. Französischer Rap über düsterem Piano – ein atmosphärischer Moment, der fast nach Linkin Park klingt, ohne sich anzubiedern. "The Great Unknown" dagegen startet rockiger, introvertierter, bis sich Salfatis Stimme in eine gutturale Urgewalt verwandelt. Fast schon theatralisch, aber nie kitschig. "La Valse Du Temps" zieht ähnliche Register: französischer Gesang, Klavier, dann wieder brachiale Gitarren und ein Arrangement, das sich in seiner Dramaturgie selbst übertrifft. Eines der Highlights.
"Deep Inferno" und "Requiem" lassen gegen Ende noch mal alle Schleusen brechen. "Deep Inferno" rast in Hardcore-Manier durch die Tracklist, "Requiem" ist ein Inferno aus Blastbeats und Pig Squeals, bevor ein ruhiges Outro den Raum wieder aufzieht. "Funeral", das finale Stück, ist ein klassisches Klavierstück mit Gesang; reduziert, verletzlich, intensiv. Kein Gimmick, sondern ein ehrlicher Abschluss.
Und dann sitzt man da. Durchgeschüttelt, mit piependen Ohren, aber auch mit einem Gefühl, gerade etwas Besonderes gehört zu haben. "The Darkest Place I've Ever Been" ist kein einfaches Album. Es verlangt Aufmerksamkeit, es fordert, aber es belohnt auch. Mit Tiefe, mit Wucht, mit Seele.
Haben Landmvrks sich damit selbst übertroffen? Vielleicht nicht im Sinne von "höher, schneller, lauter". Aber in Sachen Komplexität, Authentizität und emotionalem Punch? Absolut. Dieses Album ist keine bloße Fortsetzung, sondern eine Weiterentwicklung. Und die zeigt: Diese Band hat noch lange nicht fertig. "The Darkest Place I've Ever Been" ist ein Statement und ein Pflichttermin für alle, die Metalcore mehr zutrauen als bloßes Breakdown-Geballer.
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