laut.de-Kritik
Klassischer Jazz-Pop fürs Jetzt.
Review von Kerstin KratochwillLaufey Lín Jónsdóttir (Aussprache auf Isländisch: [ˈlœiːvei ˈliːn ˈjounstouhtɪr̥] und sonst "lay-vay") isländische Musikerin mit chinesischen Wurzeln, macht unter ihrem Vornamen elegante und emotionale Musik, die direkt aus der Vergangenheit zu uns herübergebeamt scheint. Laufey, die Cello, Gitarre und Klavier spielt und zauberhaft zwischen Jazz-Diva, Soul-Künstlerin und Swing-Star singen kann, reiht auch auf ihrem dritten Album "A Matter Of Time" wieder perlenkettengleich einen nostalgischen federleichten Song aneinander.
Ihre Stimme variiert dabei spielerisch zwischen brasilianischer Sadness im Stile einer Astrud Gilberto wie in "Lover Girl" oder im mit einem Poser abrechnenden "Mr. Eclectic". Sie kann sich aber auch in emotionale Höhen wie im Disney-Schmachtstück "Snow White" aufschwingen – das inhaltlich eine knallharte Kritik an Schönheitsstandards ist – oder aber klassisch jazzig klingen wie im Opener "Clockwork".
Laufeys Musik, die sie selbst als modernen Jazz bezeichnet, ist im Gegensatz zum Albumtitel keine Frage der Zeit, sie ist zeitlos und zugleich Jazz-Pop fürs Jetzt. Auf "A Matter Of Time" entwickelt sie ihren bisherigen Mix aus Bedroom-Pop, Retro-Klanguniversum und Symphonic-Sound weiter, die Songs tragen Romantik in sich, schwingen im Bossa Nova-Rhythmus sowie folkigen Flow oder haben einen traumhaften Charakter.
Mit Hilfe von Aaron Dessner (The National sowie Produzent und Komponist unter anderem für Taylor Swift, Sharon Van Etten oder Michael Stipe) löst sich Laufeys Vintage-Soundwelt ein wenig ab von den Standards des Jazz-Genres. "A Matter Of Time" ist eine Art Konzept-Album zum Thema wahre Liebe und lotet musikalisch komplex die Gefühlspalette dieses durchaus märchenhaften Ideals aus, indem Aspekte wie Ängstlichkeit, Introspektion und Verletzlichkeit hineinfließen.
Zuweilen erinnern die Tracks an Norah Jones wie in der Lead-Single "Silver Lining", während im countryesken "Clean Air" ein wenig Dolly Parton durchschimmert. "Forget-Me-Not" ist dann schlicht eine hinreißende Liebeshymne an Laufeys Heimatland mit dem Iceland Symphony Orchestra als Gast, und der Schlusssong "Sabotage" überrascht mit Störgeräuschen als Einschüben sowie einem abrupten wie noisigen Ende. Allgemein ist "A Matter Of Time" ein poetischer wie persönlicher Liebesbrief, der vielleicht vergilbt erscheint, aber eigentlich ziemlich leuchtet.
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Musik für performative Männer