laut.de-Kritik

Das Schiff brennt, lang lebe das Schiff!

Review von

Wenn Jimmy Pages Gitarre in die Leere dröhnt, schweigen alle. Sogar der Who-Drummer Keith Moon, der Pages bleiernem Luftschiff den Absturz prophezeit hatte. "In the days of my youth I was told what it means to be a man!", schreit Robert Plant – John Bonham tritt lässig die legendären Kick-Triplets in sein Drumkit, die Metal-Schlagzeuger mit zwei Pedalen aussehen lassen wie billige Clowns. "Good times, bad times, I know I’ve had my share – when my woman left home with a brown eyed man, but I still don’t seem to care!". Was die Telecaster kreischend von sich gibt, schreibt Musikgeschichte: Das Schiff stürzt nicht ab, es explodiert, und reißt ein ganzes Genre in Stücke.

Mit "Good Times Bad Times" starten die Briten in ein Album, das mit Konventionen bricht, den Hardrock mitbegründet und den Aufstieg Led Zeppelins zur größten Band der Welt unvermeidlich macht. So etwas hatte es noch nicht gegeben. Egal ob sie auf "Babe I'm Gonna Leave You" aus einem hallenden Stahlsaiten-Akustik-Intro und klagendem Gesang ins Unwetter aufbrechen, mit "You Shook Me" den durch Muddy Waters bekannt gewordenen Blues-Klassiker per fiebertraumhafter Rückwärtsecho-Stimme in andere Dimensionen schießen, oder ob Page seine Gitarre auf "Dazed And Confused" mit einem Geigenbogen spielt, schrill wie eine Luftschutzsirene. So klingt die neue Welt. Was sind das für Typen?

Gegen Ende der 60er-Jahre gründet Page als Überrest-Mitglied der Yardbirds zusammen mit Robert Plant, John Bonham und John Paul Jones eine Band, die sich nach Moons Kommentar für den Namen 'Led Zeppelin' entscheidet: Jeder der vier ist in dem, was er tut, eine Koryphäe. Mit ihrem ersten Album fackeln sie nicht lange und präsentieren der Welt 1969 ihr Erstlingswerk.

"Your Time Is Gonna Come" sorgt für sakrale Stimmung, als Jones auf der Orgel das wunderschöne, countryhafte Lied einläutet, bevor "Black Mountain Side" als unerwartetes Instrumental für eine kurze Verschnaufpause inmitten des ganzen Trubels sorgt, um mit "Communication Breakdown" alles einzureißen. Der schnelle, motorenhaft treibende Rhythmus und ein Gitarrensolo, bei dem kaum noch einzelne Noten herauszuhören sind: von Anfang bis Ende Aufregung pur. Mit "I Can't Quit You Baby" kommt auch der Blues noch einmal als schwergängiger Standard zurück, damit das Album mit "How Many More Times", einem achteinhalb-minütigem Track, sein loderndes Ende findet: Dynamik-Wechsel, Rock-Collage, Hochspannungssymphonie.

Pages Band geht schon auf seinem ersten Album völlig neue Wege. Doch bei allem Wandel bleiben alte Wurzeln wie aus purer Ehrfurcht erhalten. Der Blues prägt das Album ungemein: Standards, Mundharmonika und die Klänge des sumpfigen, mondbeschienenen Mississippi-Deltas ebnen auf "Led Zeppelin" trotz ihrer Geschichtsträchtigkeit den Weg zu neuen musikalischen Ufern. Ihre Wurzeln im Blues werden Zeppelin nie loslassen und auch auf zukünftigen Alben den Sound mitprägen. Auch der Folk leistet von Anfang an seinen zeitlosen Beitrag zum musikalischen Werdegang der Engländer. Was sie neu mit in die Musik bringen, das ist die Härte, die Energie, die Geschwindigkeit, den Strom, revolutionäre neue Aufnahmetechniken – und den schamlosen Bruch mit dem (trotz aller Hippie-Rebellion) noch recht biederen Geschmack der Zeit.

Ein Symptom ihrer Experimentierfreudigkeit sind die teils katastrophalen Verrisse, die die Engländer von namhaften Blättern für ihr Debütalbum ernten. Ein tragisches Schicksal, seiner Zeit voraus zu sein, wenn auch nur knapp. Der Weltruhm lässt nicht lange auf sich warten. Aus anfänglichen Charterfolgen wird globale Verehrung, Privatjets, Stadien, Hysterie.

Auch der Streit um Songrechte und die Plagiatsvorwürfe, in die Led Zeppelin während ihrer ganzen Karriere verwickelt sein werden, nehmen mit der ersten Platte ihren Anfang. Ein Disput mit Pages ehemaligem Yardbirds-Partner und Kindheitsfreund Jeff Beck um "You Shook Me" und "How Many More Times" legt den Grundstein für eine immerwährende Diskussion um geistiges Eigentum, die 2010 auch "Dazed And Confused" ereilte. Die auf Plagiatsvorwürfe folgende Gerichtsverhandlung um ihr späteres, unsterbliches Werk "Stairway To Heaven" gewannen die Briten 2020 nach jahrelangem Rechtsstreit.

Welchen kolossalen Einfluss die Platte mit der Ikone der brennenden Hindenburg auf die Musik haben würde, ließ sich zu der Zeit noch nicht erahnen. Erst im Rückblick lässt sich sagen, dass es sich bei Led Zeppelins Debütalbum um eine Zäsur handelte, ohne die die Musikgeschichte anders verlaufen wäre. Kaum eine spätere Rockband kann von sich behaupten, nicht von den vier Engländern beeinflusst worden zu sein, die sich wie durch ein Wunder zusammenfanden, um etwas neues zu erschaffen – eine beinahe überirdische Musik, die ganze Generationen geprägt hat.

In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.

Trackliste

  1. 1. Good Times Bad Times
  2. 2. Babe I'm Gonna Leave You
  3. 3. You Shook Me
  4. 4. Dazed And Confused
  5. 5. Your Time Is Gonna Come
  6. 6. Black Mountain Side
  7. 7. Communication Breakdown
  8. 8. I Can't Quit You Baby
  9. 9. How Many More Times

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LAUT.DE-PORTRÄT Led Zeppelin

There's a lady who's sure, All that glitters is gold, And she's buying a, Stairway To Heaven When she gets there she knows, If the stores are all closed, …

5 Kommentare

  • Vor 2 Jahren

    Eines der besten Debüts aller Zeiten und ein absoluter Start-Ziel-Sieg. Mich hat (wie auch bei den Doors) schon immer erstaunt, wie routiniert und eingespielt die Band bereits zu diesem Zeitpunkt gewirkt hat und wie deutlich deren Vielseitigkeit in Form von folkigen Tracks, Blues-Wurzeln und Hard Rock zutage tritt. Einziger Wermutstropfen sind die Plagiatsvorwürfe bezüglich „Dazed and Confused“, die bereits auf Yardbirds-Zeiten zurückgehen und durchaus gerechtfertigt sind.

  • Vor 2 Jahren

    Absolutes Hammeralbum; dazu schon eine wirklich gute Produktion. Der Sound wurde dann in weiteren Alben noch gesteigert- das Schlagzeug in neue Dimensionen gehoben. Gut John Bonham muss auch weit vorne spielen, entsprechend dem Können. Dem steht John Paul Jones, der Multiinstrumentalist kaum nach.
    Leider, und das hat LZ schon angesprochen, sind gerade die ersten beiden Alben durchzogen von Plagiaten, Textzeilen, die man geklaut hat. Ja ganze Songs, wie zB Babe I am gonna leave you, wo dann nachträglich die Credits bei den Nachpressungen ergänzt werden mussten. Wen das näher interessiert der sollte sich auf YT die 4teilige Reihe "zeppelin plagiarism" ansehen. Leider darum keine 5 Sterne.

  • Vor 2 Jahren

    Die Plagiatsvorwürfe sind komplett lächerlich. LZ verstanden sich im Kern als eine Blues-Band. Und im Blues ist es absolut üblich, zu covern und Zeilen zu übernehmen. Wie Plant auch schon sagte, schrieb das damals kaum eine Band in die Credits, die nicht wissen konnte, ob sich evtl. nur zehn Leute ihre Platte kaufen würden. Das wurde beim unverhofften Erfolg dann nachgeholt, und auf Folgeplatten sofort gemacht. Wo will man auch ansetzen? Vermutlich war Robert Johnson schon ein elender Dieb und Plagiator.

    Ich werde nie verstehen, warum die Stones nicht ebenso dafür gehasst werden, am Anfang Stücke gecovert zu haben, andere Songs zu zitieren oder ganze Licks zu imitieren. Kann mich aber immer wieder an die Aussagen der Dozenten erinnern, daß die Musikgeschichte voller sich selbst verstärkender Mythen und Selbstläufer ist.
    Es lohnt sich gelegentlich mal, die Perspektive zu wechseln und solche Erzählungen mal nicht als grundlegende Basis zu nehmen, eine Band zu betrachten. Und da sind LZ einfach eine weitere weiße Band, die völlig fasziniert vom Blues war, und ihn enorm veränderte. Ach ja, genial waren sie auch. 5 Sterne, logo.

  • Vor 2 Jahren

    Selbst ein gewisser Chuck Berry hat bei Marty McFly geklaut,
    weil ihm sein Cousin durchs Telefon Gitarrenlicks hat hören lassen

  • Vor 2 Jahren

    Der Unterschied zu anderen Bands ist, das die Stones am Anfang ganz viel gecovert haben und dabei immer den Komponisten genannt haben. Egal ob Chuck Berry oder Lennon/McCartney oder .... Das hat Led Zeppelin nicht gemacht. Die Komponisten, wie Anne Bredon, Babe I am gonna leave you gehören auf dem Album genannt. Und wenn Jake Holmes die Melodie zu Dazed and Confused und 80% des Textes verfasst hat und Page das kopiert hat, dann ist es unehrenhaft dies nicht auf dem Cover zu vermerken- was ja auch bedeutet, das geld wird dem Urheber vorenthalten.
    Weitere Glanztaten von Page:
    Bert Jansch schrieb Blackwaterside, was dann bei Page zu Black Mountainside wurde
    Dazed and Confused wurd schon von den Yardbirds (mit Page) gecovert, aber auf Zepp I bekam Jake Holmes keine Credits
    Howlin Wolf schrieb und spielt How Many More Years, was dann zu How Many More Times bei Zepp wurde
    Eddie Cochran Nervous Breakdown wurde dann Communication Breakdown
    Dazu die 2 Covers You Shook me and I can`t Quit you Babe, von Willie Dixon.
    Das fürht dann dazu das Good Times bad Times und Your Time has gonna come die einzigen beiden 100% Led Zeppelin Songs auf dem Debüt sind. Der Rest sind Covers, Plagiate, Teilplagiate.
    Und es ist absolut Unehrenhaft und unanständig Songs/Melodien zu stehlen, sich die Credits zu geben und den nicht wohlhabenden Urhebern das zustehende Geld der Einnahmen der Plattenverkäufe vorzuenthalten.
    Natürlich geht das so weiter;
    "Since I ve been ling you" ist von Moby Grape usw.
    https://youtu.be/zThdTAWQFAQ?t=421