laut.de-Kritik
Macht diese Band jemals etwas falsch?
Review von Michael SchuhMacht diese Band jemals etwas falsch? Schwer vorstellbar. Sah es Anfang der 90er Jahre noch nach Stillstand aus, fanden die hierzulande leider meist als 80s Pop-Export abgelegten Les Rita Mitsouko mit den Trip Hop-Experimenten von "Cool Frénésie" (2000) und dem eleganten French Pop auf "La Femme Trombone" (2002) wieder zurück in die Spur. Mit "En Concert Avec L'Orchestre Lamoureux" erscheint nun ein schick aufgemachtes Live-Album, das einem Ritterschlag gleich kommt. Das Pariser Duo durfte die Bühne mit einem Symphonie-Orchester teilen, das im Nachbarland längst den Status nationalen Kulturerbes inne hat.
Gegründet 1881 von Orchesterleiter Charles Lamoureux aus Bordeaux, kam das Ensemble im Laufe der Jahre durch Kooperationen mit Jahrhundertkünstlern wie Maurice Ravel ("La Valse") und Claude Debussy ("La Mer") zu enormen Ruhm. Um das weite Spektrum der klassischen Moderne auch zeitgenössischen Klängen zu öffnen, vergibt das Orchester seit einigen Jahren zusammen mit dem Théâtre Des Champs-Élysées so genannte "cartes blanches" an Jazzkünstler, zu denen sich nun auch die jazzfremden Les Rita Mitsouko zählen dürfen.
Vor allem Cathérine Ringers Stimme kommt auf "En Concert ..." besondere Bedeutung zu, in geradezu majestätischer Weise schwebt und rumort sie über der ungewohnt instrumentalen Begleitung, denn das Bass- und Gitarrenspiel des Bandkollegen Fredéric Chichin kommt eher verhalten zum Einsatz. Stattdessen bestimmen Blech- und Holzbläser, Streicher und wuchtige Percussions das Klangbild.
Zwanzig Jahre nach der Veröffentlichung ihres Debütalbums klingt die Pariser Kultband so französisch wie nie. Kein Wunder: Gleich die ersten drei Songs sind allesamt Kompositionen des legendären Chanson-Anarchos Léo Ferré, von den Brel-typischen Walzertakten in "Ecoutez La Chanson Bien Douce" bis hin zu den molllastigen Streichern im schaurigen "O Triste".
Weiteres Volksliedgut kommt von Charles Trénet und Serge Gainsbourg und vermählt sich harmonisch mit eher unbekannten Rita-Stücken wie "Triton" oder "Les Guerriers", letzteres eine der wenigen lauten Stellen des Albums. Das größte Kompliment für das Interpretationsgeschick der Franzosen dürfte wohl sein, dass ihre Version des Neil Young-Klassikers "A Man Needs A Maid", schon im Original auf "Harvest" mit Orchesterbegleitung aufgenommen, eines der absoluten Highlights stellt. Das anschlagsstarke Piano und schwere Streicher kombiniert mit Ringers durchdringenden Klagelauten ist Gänsehaut pur.
Den Bogen zum Hochkultur-Kontext der Begleitmusiker schlagen Les Rita Mitsouko dann mit "Mad Rush", einem Stück des amerikanischen Piano-Exzentrikers Philipp Glass, der schon Symphonien nach der Musik von David Bowie and Brian Eno schrieb. Das polyrhythmische Stück, ein wunderschönes Beispiel für klassische Minimal-Musik, nimmt einen auf hyperventilierende Weise gefangen, macht benommen und lässt Raum und Zeit davon gleiten.
Selbst das Publikum wartet mit dem Applaus anstandshalber für einige Sekunden. Den Reigen beschließt das mit lauten Beifallsbekundungen bedachte "Andy", ein Rita-Klassiker von 1986, bei dem auch Chichin wieder auftrumpfen kann. Für Chanson-Liebhaber und Rita-Fans sei "En Concert" uneingeschränkt empfohlen, Neuentdecker kaufen bitte zusätzlich entweder "La Femme Trombone" oder "Marc & Robert". Merci.
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