laut.de-Kritik
Eine sanfte, wärmende Erlösung.
Review von Giuliano BenassiDie Entstehungsgeschichte dieses Albums ist recht abenteuerlich. Nach einem Auftritt in einem Café in Colorado habe sie ein Mann angesprochen, erzählt die Musikerin im Booklet, der an ihren eher verletzlichen Songs interessiert sei, "diejenigen, die ich nicht so gerne teile, meine geheimen, besten Freunde".
Wie sich herausstellte, war der Mann ein professioneller Tontechniker und Produzent mit dem interessanten Namen John Schimpf. Sie trafen sich erneut in Los Angeles, wo sie mit hochkarätigen Musikern Kernochans Lieder aufnahmen.
Nach wenigen Takten stellt sich heraus, dass "verletzlich" = "Country" bedeutet. Ein Genre, das man eher mit Nashville verbindet. Natürlich ein Klischee, zumindest was die Qualität der Musik betrifft. Buck Owens und Merle Haggard stammten schließlich aus Bakerfield, Kalifornien.
In Los Angeles entstand auch ein Album, das beim Hören von "A Calm Sun" immer wieder in den Sinn kommt, Gillian Welchs Debüt "Revival" (1996). Wie Kernochan ist sie in L.A. aufgewachsen, beide lebten danach einige Zeit an der Ostküste. Welch schrieb ihre Stücke dann aber tatsächlich in Nashville.
Ganz so traditionell kommt "A Calm Sun" dann auch nicht rüber. Orgel und Wurlitzer erinnern an The Band, eine jaulende Pedal Steele fügt einen Tupfer Leichtigkeit hinzu. Der melancholische, dennoch fröhliche Opener "Le Petit Mondes Sont Partout" (trotz des französischen Titels auf Englisch) erinnert an eine Meisterin in diesem Gebiet, Eleni Mandell.
Doch wäre es ungerecht, Kernochan nur in Verbindung mit anderen Künstlern zu nennen. Ihre klare, hohe Stimme ist ausdrucksstark. Sie lässt sich von ihren Musikern nicht treiben, sondern führt das Rudel an. Immerhin sind es Leute, die sich im Business auskennen, unter ihnen Gitarrist Dean Parks (Sonny and Cher, Michael Jackson, Stevie Wonder, Elton John, Paul Simon), John Mayers Schlagzeuger Aaron Sterling oder Jeff Babko, Keyboarder der TV-Show Jimmy Kimmel Live. Hinzu kommen Bass und Fiddle.
Die Reise war mit den Aufnahmen nicht zu Ende. Um die Abmischung kümmerte sich Scott Jacoby in New York, um die Veröffentlichung das deutsche Label Make My Day Records. Was dazu führt, dass die CD in den USA zunächst nur als Import erhältlich ist.
"Die Lieder habe ich geschrieben, als ich in Brooklyn lebte. Die Wahnsinnsenergie New Yorks hat mir oft zugesetzt. Country wurde zu so etwas wie meiner beruhigenden Sonne, meine sanfte, wärmende Erlösung", erklärt Kernochan auf ihrer Webseite den Titel des Albums. Und beschreibt damit auch treffend ihre Songs.
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