laut.de-Kritik
Halbgare Zusammenstellung langweiliger bis übler Refrains.
Review von Alex KlugDie Blase ist geplatzt. Man kann sich an dieser Stelle um den Verstand schreiben und sich musikwissenschaftlich nicht belegbare Thesen aus den Rippen leiern, man kann es aber auch sagen, wie es ist: "As You Were" war ein unerwartet zünftiges Stimmungsfeuerwerk, "Why Me? Why Not." ist ein abgewrackter Halogenstrahler mit kaputtem Dimmer.
Dabei fing doch alles wieder so schön an. Partysingle vorab, zweiten Track schnell vergessen, als dritte Single die große Nostalgie-Ballade mit Oho-Effekt. Klar, Warner Music fährt noch immer denselben Marketing-Plan wie zu "As You Were"-Zeiten. Statt "For What It's Worth" heißt es nun "Once". Komponiert hat wieder Lady Gaga-Kollaborationspartner Andrew Wyatt.
"When the dawn came up you felt so inspired to do it again / But it turns out / You only get to do it once", singt Brother Liam – stimmlich zweifellos on top – im ergreifenden "Once". Und da möchte ihm auch niemand wiedersprechen. Nach dem fleischgeworden Frankenstein-Monstrum Beady Eye hätten wohl die wenigsten Follower mit einem Hitmix der Güteklasse "As You Were" gerechnet – völlig egal, wer da welchen Songwriting-Credits bekommt. Anno 2017 stand "Wall Of Glass" gegen Noels provokatives "Holy Mountain". "Liam has won", tönte es da in den Kommentarspalten. Der bescheidene Messias beugte sich noch einmal zu uns hinab.
Während die High Flying Birds ihre Flügel immer häufiger im Tanzschritt flattern lassen, interpretiert Liam seine 'künstlerische Freiheit' ganz anders: "I'm here to give people what they want, and if that's boring, so be it." So ist Liam, so waren irgendwie auch Oasis. So klingt auch "Why Me? Why Not."
Irgendwie härter, nur trotzdem mit weniger echter Durchschlagskraft. Violinen und Violoncelli überzuckern Nummern wie "Gone", "Why Me? Why Not." oder "One Of Us" mit einem Pathos, in dem sich allenfalls der aufgeblasene Musikvideo-Kitsch des letztgenannten Tracks verfängt. Wie heißt es: "Come on, I know you want more / Come on, and open your door."
Man muss kein "Team Noel"-Shirt im Schrank haben, um zu erkennen, dass Liam ohne ewigen Bruder-Zwist nur wenig Arbeitsgrundlage hätte. Frei nach dem Motto: Wenn er mir keine Songs mehr schreibt, dann baue ich eben meinen gesamten verbalen Kosmos auf unserer nicht mehr existenten Beziehung auf. Seien es Interviews, seien es Tweets – oder eben einfach Songtexte.
Dabei heraus kommt eine halbgare Zusammenstellung aus langweiligen ("One Of Us", "Halo") bis hin zu wirklich üblen ("Gone", "Meadow") Yeah-Yeah-Refrains, die in Ermangelung jeglichen Ohrwurm-Faktors in wirklich schockierendem Kontrast zum Vorgänger stehen – der ja auch seit nicht einmal zwei Jahren zu erwerben ist. "Why Me? Why Not." Oder eher: Why so fast?
Abgedroschen kommen auch die seit Jahrzehnten bekannten, nur noch mit halber Lust eingeworfenen Beatles-Phrasen rüber. Da horcht man schon eher angesichts der instrumentalen Fab-Four-Inspirationen auf. Wenn auch nur für ein paar Takte.
Nachdem sich Liam in "Be Still" schon ringoesk limitiertem Gesangsspektrums bedient, arbeitet sich im quirligen "Alright Now" auch immer mal wieder Starrs Drumming-Attitüde in den Vordergrund. Das schnittig angrenzende Synth-Gitarrensolo sorgt für einen der wenigen Aha-Momente des Albums – unterliegt aber dem schlicht und ergreifend mediokren Songwriting.
Darüber kann dann auch kein Ragtime-Piano in "Halo" mehr hinwegtäuschen. Klar, das Augenzwinkern ist irgendwie immer da. Liams absichtlich schiefes Pfeifen zaubert einem noch kurz ein Grinsen aufs Gesicht. Umso schneller gefriert es dann aber wieder angesichts des Versuchs, den Titeltrack mit demselben verminderten Akkordspiel wie dem des verdammt schmissigen "Bold" von 2017 auszuschmücken.
Ja. Ja. Ja. Was hast du eigentlich erwartet? Viele Anhänger der selbsternannten Lennon-Wiedergeburt werden ihre Mußestunden mit "Why Me? Why Not." zelebrieren.
Trotzdem: "As You Were" war ein Debüt mit gelegentlichen Schwächen, aber nicht wegzudiskutierendem Spaßfaktor. "Why Me? Why Not." hingegen ist das endgültige Zeugnis eines in der Vergangenheit gefangenen Menschen, der selbst voller Stolz konstatiert, die Kids da draußen würden ja ohnehin nur nur die ersten drei Oasis-Platten jucken.
Nun ja, mit der Einstellung bleibt man eben, was man sein will: ein Nostalgie-Akt. If that's boring, so be it.
9 Kommentare mit 10 Antworten
Musik für den lautuser
Musik für Gymnasiallehrer, die sich in ihrem silbernen 2er Golf aufm Schulweg wie Revoluzzer fühlen.
Die Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden. Meines Erachtens handelt es sich um eine überraschend gute Platte. Man hätte ja erwartet, dass das vermeintliche Songwriter–Genie Noel das Oasis – Vakuum füllt. Stattdessen langweilt er mit dämlichem Discosound. Liam hingegen überrascht erneut– wenn auch mit viel Hilfe – mit exzellentem Songwriting und sehr guten Gesang sowie nicht zuletzt exzellenter Produktion. Besser sogar als die letzten Oasis Alben. Chapeau!
Yeah!
Ich frage mich ja, wo bei einem Album, dass 2019 immer noch wie Oasis anno dazumal klingt, die Überraschung liegen soll.
DAS ist die Überraschung!
Finds ehrlich gesagt ziemlich stark. 4/5
Super Scheibe, ich brauche keine Oasis-Reunion.
Weißt du, auch wenn ich insgeheim irgendwie noch drauf hoffe (mindestens mal deswegen, weil Liam und Noel dann wahrscheinlich ihren Frieden miteinander gemacht hätten), nachdem ich jetzt ein paar aktuelle Konzerte von Liam gesehen hab, stimme ich dir fast zu.
Schau dir mal Glastonbury 2019 mit ihm an:
https://www.youtube.com/watch?v=r0NVIMRdQlI
Ich hab Liam noch nie so - nun - im Frieden mit sich gesehen. Da steht einer, der den Auftritt in vollen Zügen genießt, mit dem Publikum spricht, Songs einzelnen Personen widmet (hab ich nie zuvor von ihm gesehen!), und einfach alles gibt. Die Stimme klingt wieder richtig gut, der Sound fetzt und die Band ist sensationell gut um ihn herum zusammengestellt. Da ist jemand, der gezwungen wurde sich selbst neu als Solokünstler zu erfinden und der das mittlerweile tatsächlich geschafft hat. Und trotzdem schafft er es, den früheren Vibe von Oasis punktgenau zu treffen. Das ist pure Gänsehaut, wenn er das Publikum den Refrain von Wonderwall singen lässt - da schwingt so viel Begeisterung und Liebe mit, dass man fast rührselig wird.
Nächstes Beispiel das neue MTV Unplugged mit ihm: (https://www.youtube.com/watch?v=3ijRa2f0sr0)
Wie das Venue bei Stand By Me in völlige Ekstase gerät, ist einfach nur wundervoll. Und dann ist da sogar Bonehead an der Gitarre! Und trotzdem denk ich mir, das da ist ganz klar der neue, eigenständige Liam Gallagher, das hat er sich alles selbst aufgebaut. Die Leute kommen wegen IHM und das freut mich menschlich einfach ungemein für ihn.
Klar, ich hab auch Noel immer geliebt, aber für mich war unzweifelhaft Liam mit seiner einzigartigen Attittüde und vor allem seiner fantastischen Stimme und Art zu singen das klare Herz und der letztliche Erfolgsmagnet von Oasis. Bei Noel war es immer so, dass ich mich jedes Mal schwer tat, Solokonzerte von ihm in voller Länge zu gucken. So begnadet auch er singt und so schön seine Stimme ist, irgendwie ist da bei mir die Toleranzschwelle eher erreicht.
In diesem Sinne, und weil ich das neue Album auch sehr gut finde, werd ich mir definitiv ein Ticket für die anstehende Tour in 2020 gönnen. Ich glaub, das kann einfach nur toll werden
Bruder Liam spricht wahr, soulseeki ebenfalls.
Wo darf es denn hingehen:
https://www.eventim.de/artist/liam-gallagh…
?
mein beileid. an alle 3 vorposter
Torque mit dem Post der Woche.
Mail an Craze dürfte schon unterwegs sein.
4 Sterne für David Hasselhoff und 2 Sterne für Liam Gallagher von der laut-Redaktion, ich brech ab. Alter, da weißte Bescheid über den Zustand des deutschen Musik-Journalismus.