laut.de-Kritik
Mama hat richtig dicke Eier.
Review von Julia KindelKlare Ansage beim Comeback: "Give me that Crown bitch, I wanna be Sheezus!". Lily Allen teilt im Titeltrack richtig aus - gegen Lady Gaga, gegen Mackertum oder das Musikbiz. Nach dem letzten Langspieler hatte sich die Britin ja erst mal zurückgezogen, um sich aufs Privatleben respektive Mutter werden zu konzentrieren.
Diese Erfahrungen, aber auch den Blick aus der Distanz auf die Popindustrie, verarbeitet sie nun auf "Sheezus". Im expliziten Pop-Ringkampf hofft sie neben Glück ("I think I'm gonna need it") vor allem darauf, dass sie dabei ihre Kinder nicht sehen: Mama ist nämlich richtig angepisst. Der feministische Gegenentwurf zu Kanye Wests "Yeezus" bleibt dabei trotzdem gewohnt locker und süß.
Aber nicht täuschen lassen: Das hört sich vielleicht nach seichtem Bubblegum-Pop an, und Lily Allen macht mit zarter Stimme und hübschem Aussehen auf niedlich – sie ist es aber nicht. Vielmehr nennt die Sängerin beim Namen, was sie nervt und hüllt ihre Kritik in massentauglichen Radiopop. Und genau da ist der Punkt, an dem das große, fette 'Leider' kommt.
Klar, die Lyrics sind großartig. Endlich wieder eine Frau in der Heavyrotation, die offensiv Haltung beweist. Aber der künstliche Klangteppich darunter ist ausgelatscht. Rein akustisch unterscheidet sich Lily Allen kein Stück von Charts-Konkurrentinnen wie Beyonce, Gaga oder Rihanna. Da dröhnt Autotune und plätschern gängige Fließbandbeats und Kaufhaussynthies. Hier ein bisschen Funk, da eine Prise Hip Hop, R'n'B passt eh - und fertig ist der bunte Kessel Einheitsbrei.
Die starken Kontraste werten die Platte dennoch auf. Macht Frau Allen zu Beginn noch auf dicke Eier, wirft mit "Bitches" und "Fucks" nur so um sich, zeigt sie sich im weiteren Verlauf immer mehr von ihrer fragilen Seite. Zwischendrin regt Lily sich über Instagram und Co. auf, belächelt postmodernes Trendgehabe und tritt auf amüsante Weise sexistischen Hip Hop-Mackern vors Schienbein. "Forget your balls and grow a pair of tits" – Chapeau!
Doch Tracks wie die zweite Single "Air Balloon" oder das sorglose "Our Time" kommen so seicht und banal daher, wie es sich für Mainstreampop gehört. Wenn sie über Eskapismus und versoffene Tanznächte sinniert, mit der R'n'B-Nummer "Close Your Eyes" den Liebesakt detailreich erörtert oder im Westernfolk "As Long As I Got You" und "Silver Spoon" ein Bilderbuchfamilienidyll bzw. das einfache Leben besingt, möchte man skippen, bis die Finger glühen.
Mittendrin findet sich noch "Take My Place" als wunderschöne Ballade, die ohne alle Albernheiten auskommt. Das schwärmerische Keane-Cover "Somewhere Only We Know" wirkt am Schluss etwas deplatziert, aber entschuldigt mit einer zauberhaft dicken Zuckerschicht.
"Sheezus" reiht sich am Ende nahtlos in Allens Diskografie ein. Allein: Die scharfzüngige Kritik am Pop- und Hip Hop-Game und eine kontrastreiche Dramaturgie machen das Album hörenswert.
9 Kommentare mit 7 Antworten
ô_O 3 Sterne?
Ich bin Pop-Fan und bisher auch Lily-Allen-Fan, aber die Platte ist ganz großer Mist, da bringen auch die Lyrics nichts. Vor allem reiht sich das Teil NICHT in ihre bisherige Disco ein, ihr letztes Album hatte nämlich richtig starke Melodien und Songs zu bieten, auch wenn da schon die Produktion etwas billig war.
Ich find die lyrics retten die meisten Ihrer songs hier ehrlich gesagt, wenn sie was kann dann Texte schreiben.
Bis ich mal gerafft hab das 'L8 CMMR' ein richtiges Liebeslied ist zB oder Textzeilen wie 'i'm still slaying like pirates on a cruise ship' haben mich dann doch zum schmunzeln gebracht.
Dieser Kommentar wurde vor 10 Jahren durch den Autor entfernt.
Na die Diskussion hatten wir ja schon mal und ich will sie nicht noch mal beginnen, aber ich bleib der Ansicht, dass gute Lyrics einen Song, der musikalisch sonst rein gar nix zu bieten hat, nicht retten können. Ist vielleicht ein Trostpflaster, aber mehr auch nicht.
Naja, immernoch besser als ARTPOP und so!!1
:'( :'( :'(
Pass auf was du sagst... don't you know my ass is famous!? #slay
Je öfter ichs hör desto mehr find ich gefallen am Album.
Beim ersten durchhörn fand ichs noch sehr sehr mau aber inzwischen find ichs recht okay.
'Take my place' gefällt mir am besten.
Zwei, drei Mal habe ich das Album durch, und jetzt habe ich keine Lust mehr. Ich bin auch der Meinung, dass gute Texte durchschnittliche Musik nicht retten können. Für mich sind die Texte sekundär, primär geht es mir darum, dass mir ein Lied melodisch gefällt. Und das tut "Sheezus" zu selten. Erst wenn mir die Musik zusagt, lausche ich auch genauer auf die Texte.
Am besten ist es natürlich, wenn Text und Musik richtig harmonieren, wobei ich wieder einmal auf das neue Lykke-Li-Album verweisen möchte.
Dieses Album bietet rein Musikalisch nichts. Da fehlt nicht mehr viel zu Avril Lavigne. Avrils neuster "Hit" Hello Kitty passt hier genau rein! 3 Punkte find ich unangebracht, vorallem weil sie sich diese mit den Lyrics verdient haben soll. Sry aber wenn die Musik bzw. Melodie oder das Gesamte Zusammenspiel scheiße klingt dann bringen mir die Lyrics auch nichts. Hätte sie doch lieber ein Buch geschrieben.
Ich bin grosser Fan der ersten beiden Alben, aber das hier ist nichts. Früher waren auch die Texte subtiler - offen, aber eben mit dem nötigen Biss. Jetzt gehts wirklich in Richtung Hip-Hop-Beef - boring! Ich hatte mich so auf das Comeback gefreut, wegen solcher Songs wie The Fear, Fuck You oder 22. Davon ist aber noch nicht mal annäherungsweise was auf dem Album.
Ich mag ihren Humor. Leider rettet das die Songs nicht. Hoffen wir das sie auf ihrem nächsten Album den Humor wieder mit gutem Songwriting verbinden kann.