laut.de-Kritik

Geniale Jazz-Wallfahrt mit Gästen wie Herbie Hancock und Wayne Shorter.

Review von

"Karibu" ist Suaheli und bedeutet "Willkommen". Willkommen auf abenteuerlichen, entdeckungsreichen und tief in den Jazzdschungel führenden Pfaden. Denn schon mit den ersten Klängen von "Karibu" ist klar, dass wir es hier mit amtlichem Jazz zu tun haben. Oberamtlich! Mit höchsten Weihen und von ganz oben (ab)gesegnet. Willkommen im Jazzland 2008.

Willkommen in Lionel Louekes Trio-Welt, die seit langem Massimo Biolcati (Bass) und Ferenc Nemeth (Schlagzeug) bevölkern. Bisher war das Trio nur live und auf zwei Indielabel-Konserven zu erleben. Ihrem Majordebüt "Karibu" hört man das ausgereifte 'Sich-Verlassen-Können' einer gewachsenen Gemeinschaft nach acht kollektiven Bühnenjahren deutlich an.

Willkommen im Andersland. Denn nicht nur aufgrund des deutlich hörbaren Aufeinander-Eingespielt-Seins unterscheidet sich Louekes Debüt von dem Heer anderer Jazz-Veröffentlichungen. Die Ausnahmestellung von "Karibu" unterstreichen die Gastauftritte der Jazzeminenzen Herbie Hancock und Wayne Shorter.

Louekes Biografie ist in jüngster Vergangenheit sehr von den Herren Shorter & Hancock geprägt. Shorters Ernsthaftigkeit, sein Tiefgang und seine ästhetische Brillanz beim Geschichten erzählen, machen ihn zu einer lebenden Legende. Für Herbie Hancock, der mit seinem letzten Album "River" erstmals seit 40 Jahren einen Grammy für das Album des Jahres ins Jazzland holte, gilt der Legendenstatus ebenfalls. Davon abgesehen tut Hancock mit seinem Gastauftritt einem bewährten Bandkollegen einen Gefallen, denn Loueke spielt seit geraumer Zeit im Quartett von Herbie Hancock und trägt seinen Teil zum Erfolg von "River" bei.
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Willkommen im Land des Mutes, denn nicht viele junge Jazztalente trauen sich, mit Eigenkompositionen zu debütieren. "Karibu" bildet, neben dem kürzlich veröffentlichten "Anthem", eine rühmliche Ausnahme. Mit sieben selbstverfassten Werken aus der Feder Louekes geht das Trio an den Start. Kompositorische Unterstützung holen sie sich bei "Skylark" (Johnny Mercer/Hoagy Carmichael) und bei "Naima", der unvergesslichen John Coltrane-Ballade.

"Seven Teens", im 17/4-Takt, ist dem Soundmann des Herbie Hancock Quartetts gewidmet, der 'Seven Teens' immer benutzt um vor einem Gig die Mikrophone zu testen. Stellt eigentlich Loueke seine vielsaitige Kreativität Hancocks Quartett zur Verfügung, lässt nun umgekehrt der Tastengott seiner Expressivität auf seines Freundes Debüt freien Lauf. Sein ekstatisches Solo krönt "Seven Teens" zu einem der Highlights von "Karibu".

"Zala" ist Nemeths Herkunftsstadt gewidmet und thematisiert das soziale und familiäre Leben in der Heimat des ungarischen Schlagzeugers. "Jeder unterstützt den anderen, es wirkt immer wie eine Party und überall laufen Kinder rum. Davon handelt das Stück, das ein wenig überdreht, aber einfach nur schön ist."

Auf der zehnminütigen Jazz-Wallfahrt "Light-Dark" offenbaren alle Beteiligten ihre kreative Genialität. "Das Stück ist geprägt von Harmonien, die von hell nach dunkel wechseln. Ich habe diese Art des Komponierens von Wayne Shorter gelernt. Wayne arbeitet häufig mit der Fünftonleiter, sehr schlicht, aber dann hört man die Harmonien im Hintergrund."

Der "Abgannon Blues" schleppt sich im 13/4-Takt durch die Form. "Abgannon kommt aus dem Fon, dem im Benin gesprochenen Dialekt, und bedeutet 'schwerer Träger'. Wie eine Frau, die einen großen Korb auf dem Kopf trägt", erläutert Loueke. "Das hört man förmlich, das Stück ist träge, schwer und funky." Die verspielte Leichtigkeit mit der die Beteiligten sich solch kruden Metren nähern, täuscht über die Komplexität der Stücke souverän hinweg.

"Meine Musik ist zugleich sehr leicht und sehr kompliziert. Die meisten meiner Stücke sind in ungeraden Takten: 17, 13, 15, 9, 7. Aber ich möchte nicht im 17/4 Takt spielen, der auch so klingt, sondern ich möchte die 17/4 wie einen 4/4-Takt klingen lassen, so dass dies auch Nicht-Musiker so empfinden. Darum geht’s mir, nicht um intellektuelle Verrücktheit, darum geht es in der Musik nicht. Es geht um das Gefühl. Und so versuchen wir zu spielen." Das wusste schon Dave Brubeck, als er den 5/4-Klassiker "Take Five" komponierte und auch Pink Floyds "Money" liegt ein als 'rund' empfundenes 7/4-Metrum zugrunde.

Willkommen beim Finale. Das viel zu nahe Ende markiert "Nonvignon". Mit afrikanischer Unbeschwertheit und der Textzeile "Lasst uns Brüder und Schwestern sein. Wenn wir das nicht tun, werfen wir ein Geschenk Gottes fort", verabschiedet sich Lionel Loueke. 'Wenn es am schönsten ist soll man aufhören' erweist sich nicht immer als gute Empfehlung. Lionel Louekes "Karibu" schon!

Trackliste

  1. 1. Karibu
  2. 2. Seven Teens
  3. 3. Skylark
  4. 4. Zala
  5. 5. Naima
  6. 6. Benny's Tune
  7. 7. Light Dark
  8. 8. Agbannon Blues
  9. 9. Nonvignon
  10. 10. Bonus Track: Body And Soul

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